Mildtätigkeit muss nicht immer allen zu Gute kommen. Das muss T’Challa, seines Zeichens König und nebenher Avenger, leidvoll erfahren: da will der Herrscher des afrikanischen High-Tech-Staates Wakanda mit seiner Stiftung Tomorrow Fund den Bewohnern der doch etwas heruntergekommenen Siedlung New Lots in Brooklyn finanziell unter die Arme greifen. Dann wird plötzlich das kleine Mädchen, mit dem er werbewirksam für diese Aktion posierte, ermordet. Empört macht sich der panthergleiche Hüne auf nach Amerika, um die Sache aufzuklären, auch wenn er dabei daheim eine handfeste diplomatische Krise zurücklässt. In der Grenzregion des Königsreichs liegen nämlich gewaltige Auffanglager für Flüchtlinge aus den kriegsgeschüttelten Nachbarstaaten – und in diesen Lagern toben offene Konflikte zwischen den Insassen.
Gegen den Rat seiner Mutter reist T’Challa trotzdem nach New York, im Schlepptau seinen urgewaltigen Beschützer Zuri und natürlich die „Dora Milaje“, die Verehrten – bisweilen auch als Karatechickteenieamazonen bekannt. Dort wird er vom trotteligen US-Regierungsbeamten Everett K. Ross in Empfang genommen, der mehr oder weniger tollpatschig durchs Geschehen stolpert und sich dabei vom Leibhaftigen selbst eine Hose leiht. Es dauert allerdings nicht lange, bis sich die ganze Sache als abgekartetes Spiel herausstellt: der Fiesling Achebe, der in den Flüchtlingslagern festsaß, nutzt die Gunst der Stunde für einen Staatsstreich in Wakanda. Dass das alles kein Zufall ist, stellt T’Challa fest, als er den Mörder des kleinen Mädchens dingfest macht: der nämlich wurde von niemand anderem als Achebe angeheuert, um den schwarzen Panther von zu Hause wegzulocken. Aber auch damit nicht genug: der Söldner Hunter, auch bekannt als White Wolf, eröffnet T’Challa, dass auch Achebe nur eine Marionette in einem größeren Spiel ist…
Seit seinem krachigen Auftritt im letzten Captain America-Kino-Epos „Civil War“, in dem T’Challa fast komplett mit Origin eingeführt wurde (afrikanischen Land entdeckt ein wundersames Metall, wird zum High-Tech-Standort, sein König T’Chaka will das Land öffnen und wird ermordet, T’Challa übernimmt, gestählt von einem wundersamen Mittel, das die Körperkräfte des Pantherclans ins Unermessliche steigert), steht auch diese eigentlich eher sekundäre Figur dank der wunderhaften Mächte des Marvel Cinematic Universe plötzlich im Rampenlicht. Ersonnen von Stan Lee und Jack Kirby, machte Black Panther schon 1966 (erstmals in Nummer 52 der „Fantastic Four“) als erster waschechter schwarzer/afroamerikanischer/welches politisch korrekte Wort auch immer Superheld von sich reden, als die gleichnamige Bürgerrechtsbewegung gerade gegründet wurde und die Rassenunruhen in den USA auf dem Siedepunkt waren.
Jahre vor Luke Cage und dem DC-Verwandten Black Lightning (aktuell mit einer eigenen Netflix-Serie), die in den 70er-Jahren der Blaxploitation-Welle entsprangen, durfte man in T’Challa somit in der Tat einen politischen Kommentar erkennen, der das kaum kaschierte Plädoyer für Toleranz und Gleichberechtigung, das Stan Lee in den X-Men vortrug, gezielt auf die Thematik Rassenkonflikt übertrug. T’Challa wurde alsbald zum Mitglied der Avengers, wo er dank Pantherkräften und High-Tech-Anzug segensreich wirkte. Als die Comicszene – aus heutiger Sicht durchaus erstaunlich – Ende der 90er am Boden lag, durchlief auch diese Figur im Rahmen der „Marvel Knights“ eine Frischzellenkur: neue Blickwinkel, spannende Stories und ungewöhnliche Erzählmuster waren angesagt, um dem lahmenden Genre Leben einzuhauchen, was ja nicht zuletzt mit Garth Ennis‘ fulminanter Neuinterpretation des Punisher bestens glückte.
Joe Quesada und Christopher Priest nahmen sich den Schwarzen Panther ebenso rigoros vor und befeuerten den damaligen Serien-Neustart mit jeder Menge politisch-satirischen Querverweisen – die Figur des US-Präsident Clinton, der Geheimdienst und sogar die allgegenwärtige Kommunikation in Form von handflächengroßen Mini-Rechnern (hallo, Smartphone zwanzig Jahre vor deiner Zeit!) verorten diese Black Panther-Storyline klar ins Ende der 90er, und auch die Perspektive verschob sich deutlich: weg vom auktorialen, linearen Muster marschierten Quesada und Priest hin zu einer zeitlich versetzten, teilweise ironisch gebrochenen Schilderung durch den chaotischen Everett K. Ross, der die Dinge gerne mal durcheinanderbringt und auch übertreibt.
Wenn aus heutiger Sicht das Bemühen, es einfach irgendwie „anders“ zu machen, bisweilen allzu überdeutlich wirkt, entsteht doch eine schmissige Story im beklemmend aktuellen Kontext: T’Challas Erkenntnis, dass sich in seinen Flüchtlingslagern Gewalt und umstürzlerische Elemente verbergen, würde hier und heute sicherlich für einiges an Diskussionsstoff sorgen. Optisch wirkt das Geschehen ebenfalls frisch, mit dynamischem Strich und actionreichen Panels von Vince Evans und Mike Texeira virtuos inszeniert. Panini bringt den Band mit den US-Heften „Black Panther“ (1998) 1-5 rechtzeitig als Neuauflage (erstmals 2000 in Heftform bei uns erschienen) zum Kinostart von T’Challas erstem eigenen Abenteuer. (hb)
Marvel Knights: Black Panther
Text: Christopher Priest, Joe Quesada
Bilder: Mark Texeira, Vince Evans
132 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
15,99 Euro
ISBN: 978-3-7416-0573-4