1492, mitten im Atlantik. Die Mannschaft von Christoph Kolumbus droht zu meutern. Sie gibt ihrem Kapitän noch drei Tage, dann will man umkehren. Bald nach der Sichtung eines seltsamen Himmelskörpers kommt Land in Sicht… Massiver Sprung – zeitlich und geographisch: die Barentssee im Jahre 2026. Hier untersucht ein Team aus Wissenschaftlern unter der Leitung von Dan Henning eine kürzlich entdeckte Anomalie auf dem Meeresgrund mit 40 Metern Durchmesser. Ein Ufo? Fest steht, das Objekt ist nicht natürlichen Ursprungs und fast scheint es, als sei es abgestürzt. Erschwert wird die Erkundung des zylindrischen Teils durch unerklärliche Stromausfälle. Weitere Schauplätze: Der Berg Ararat in der Türkei. Dort, wo die Arche nach der Sintflut angelandet sein soll, sucht ein TV-Team nach einem mysteriösen Objekt, das auf alten Aufnahmen zu sehen ist. Und: Die erste Marsmission ist nahe dem Olympus Mons gelandet (das ist mit über 26.000 Meter Höhe der höchste bekannte Berg unseres Sonnensystems). Es sind die Russen, die den Wettlauf zum Roten Planeten gewonnen haben. Am Berg entdecken sie ein seltsames Gebilde. Dann gibt es noch den Mahner: Aaron Goodwin, der mit seinen seherischen Fähigkeiten der Polizei bei der Aufklärung von Verbrechen hilft, bekommt erschreckend reale Visionen eines Raumschiffs, das unter Wasser verborgen liegt. Was ihn fast manisch beschäftigt. Doch niemand nimmt ihn ernst…
In seiner neuen Science Fiction Reihe beschäftigt sich Autor Christophe Bec, der hier einmal mehr mit Stefano Raffaele („Prometheus“) am Zeichenstift zusammenarbeitet, wieder mit einem seiner Lieblingsthemen – und das mit allen Stärken und Schwächen: Mysteriöse Vorgänge um vermeintlich außerirdische Hinterlassenschaften und/oder Kontakte, mit verschiedenen Handlungsschauplätzen, die sich quer durch die Zeiten ziehen. Dabei werden die Zusammenhänge zwischen Episoden und Schauplätzen erst nach und nach klar, oder auch nur angedeutet – dann greift die Phantasie des Lesers. Die Story fädelt Bec wieder raffiniert ein, er erzeugt Spannung, lässt den Leser Lunte riechen, hält ihn aber an der kurzen Leine, um ihn immer weiter anzufüttern, mit weiteren mysteriösen Details und unerklärlichen Entdeckungen. Wie auch der Brasilianer Leo in dessen diversen Science Fiction Serien („Aldebaran“, „Antares“, „Centaurus“ etc.) variiert Bec ein Leitmotiv immer wieder geschickt, aber im Gegensatz zu Leo bleiben bei Bec die Hauptpersonen, so man sie überhaupt gleich identifizieren kann, charakterlich eher blass. Mit den Personen wechseln die Schauplätze, die Story ist im Fokus, die Figuren müssen sich ihr unterordnen. Das kann man bei „Eternum“ beobachten, wie auch bei „Prometheus“. Feine Charakterstudien sucht man hier vergebens.
Aber: Mit diesem inszenatorischen Kniff des Orts- und Zeitenwechsels bleiben Becs Geschichten spannend, wie offen. Und überraschend. So kehrt die Handlung am Ende des Auftakt-Bandes noch einmal zurück zu Kolumbus‘ Reise und schafft eine völlig unerwartete Verbindung zur Marsmission der Russen… Und mit dem Treffen von Hellseher Goodwin mit dem Expeditionsleiter Henning, der dessen Visionen natürlich keinen Glauben schenkt und diese als Spinnereien abtut, werden erste Handlungsfäden verknüpft. Zusätzlich webt Bec auch einen geschichtlichen Fakt ein: Um das massive NATO Manöver „Operation Mainbrace“ vom Herbst 1952, von dem hier einmal die Rede ist, ranken sich diverse UFO-Mythen. Was war wirklich Sinn und Zweck dieser Operation, an der über 200 Kriegsschiffe, darunter alleine zehn Flugzeugträger, beteiligt waren? Wie bei Bec-Serien durchweg üblich, ist auch dieser Band im realistischen Stil gezeichnet, wobei die Bilder von Stefano Raffaele ruhig und gediegen daherkommen und damit schon fast einen dokumentarischen Charakter zeigen. Band 2, der im August erscheint und den Titel des o.g. Manövers trägt, sorgt vielleicht für neue Erkenntnisse. So oder so: Wir sind gespannt. (bw)
Olympus Mons, Band 1: Anomalie Eins
Text: Christophe Bec
Bilder: Stefano Raffaele
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro
ISBN: 978-3-96219-020-0