Ostende 1915. Mit Müh und Not übersteht Freiherr Manfred von Richthofen nur leicht verletzt seinen ersten Luftkampf. Als Bordschütze wohlgemerkt, nicht als Pilot. Doch er hat Blut geleckt. Beinahe im wahrsten Sinne des Wortes. Nach einem weiteren Luftsieg beginnt er seine Ausbildung als Pilot, bald gefolgt vom ersten Alleinflug und der ersten Bruchlandung. Dann besteht er die Prüfung (das ging damals noch schnell), wird nach Verdun versetzt, sitzt schließlich alleinverantwortlich in seiner Albatros und schafft gleich seinen Luftsieg als Pilot UND Bordschütze, wobei ihm seine unheimliche Gabe hilft, die Angst des Gegners spüren und dabei dessen Aktionen und Handlungen vorausahnen zu können. In Verdun trifft Manfred seinen alten Freund Willi, dem er eine vergangene Episode berichtet: zu Beginn des Krieges ist von Richthofen noch bei der Kavallerie und an der russischen Grenze stationiert. Nachts trifft er gemeinsam mit einem Kameraden in einem russischen Dorf auf eine Gruppe Kosaken und entscheidet sich trotz „personeller“ Unterlegenheit für einen Angriff, wobei ihm seine Gabe erneut gute Dienste tut.
Band 2 treibt die Entwicklung Manfred von Richthofens, des späteren „Roten Barons“, wieder etwas weiter, ohne dabei aber in Eile zu verfallen. Nun ist er Pilot. Und sogleich stellt er erneut eine befremdliche Gnadenlosigkeit unter Beweis: Fernab von jedem ritterlichen Codex, für den sich die Kampfflieger im Ersten Weltkrieg rühmten, nutzt er die Schwächen seines Gegners aus (dessen Maschinengewehr klemmt) und schießt ihn ab. Im allerersten Luftkampf unter seiner Regie. Das Aufeinandertreffen mit seinem Freund Willi lässt den Band dann zweiteilen. Jetzt kommt als Einschub ein langer Rückblick auf eine Begebenheit, als Manfred noch bei der Kavallerie war. Auch hier zeigt er Wagemut in Verbindung mit gnadenloser Effizienz. Was Autor Pierre Veys wieder mit jener seltsamen Gabe erklärt, einer Mischung aus Spinnensinn und Star Wars’scher Macht. Diese in der Nacht spielende Episode unterbricht den Handlungsfluss zwar etwas, ist zeichnerisch aber höchst anspruchsvoll gestaltet, mit viel Schwarz und dezenten Lichtquellen.
Überhaupt wiegen die ungewöhnlichen, wie faszinierenden Zeichnungen von Carlos Puerta die Unregelmäßigkeiten in der Handlung ganz und gar auf, die ganz wissentlich Fakt mit Fiktion vermischt. Puerta zeigt Doppeldecker vor mittelalterlicher Stadtkulisse, dynamisch filmische Luftkämpfe aus unterschiedlichsten Einstellungen (und mit Fort Douaumont im Hintergrund). Auch die Kriegsszenen, die vernichtenden Grabenkämpfe am Boden, sind eindringlich bebildert. Alles erinnert an Gemälde, einmal mehr an zeitgenössische, kolorierte Postkarten und manchmal auch an den Stil eines Antonio Hernández Palacios, nur eben detaillierter und realistischer. Eigentümlich wirken die Szenen, die während der Kavallerie-Zeit von Richthofens spielen. Die Ulanen mit Lanzen hoch zu Pferde gegen die russischen Kosaken. Im Gegensatz dazu nur kurze Zeit später modernes, technisiertes Kriegsgerät in Form von Doppeldeckern. Der Erste Weltkrieg als Zeitenwende: alter Krieg mit Pferden, neuer Krieg mit Flugzeugen… Wer optische Comic-Leckerbissen mag, ist auch mit Band 2 der Reihe bestens bedient. (bw)
Der Rote Baron, Band 2: Blutiger Regen
Text: Pierre Veys
Bilder: Carlos Puerta
48 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
13,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-821-8