Micky Maus: Es war einmal in Amerika (Egmont)

September 15, 2016

Micky Maus: Es war einmal in Amerika (Egmont)

Mäuse und Geschichte? Geht das denn überhaupt zusammen (mal von Art Spiegelmann Opus magnum abgesehen)? Aber natürlich, immerhin gehört Mick(e)y selbst mittlerweile zum amerikanischen Kulturschatz – und da ist es eigentlich nur statthaft, dass die bekannteste Maus der Welt (neben der, die bei uns ihre Sendung hat) wieder einmal einen historischen Streifzug unternimmt, bei dem zentrale Momente der US-Geschichte spaßig-ironisch kommentiert und korrumpiert werden. In einem wahrlich monumentalen Ziegel bringt diese Hardcover-Ausgabe dabei die 13teilige Serie, die in Einzelepisoden auch unter der Flagge „Lustiges Taschenbuch präsentiert“ nebst hübscher Sammelbox segelt, unter einen Hut, wodurch wir von den ersten Schritten der Einwanderer bis hin zur Geburtsstunde von Micky selbst wandern dürfen. Damit wir auch den stilechten Disney-sense of wonder erleben, übergeben wir für eine kurze Inhaltszusammenfassung an unseren jugendlichen Gastrezensenten Tristan:

Wer kennt sie nicht, die Geschichte der Entdeckung Amerikas? In diesem dicken Micky Maus-Buch werden viele Stories über Amerika in jeweils wechselnden Zeiten nacherzählt – wobei sich der Regenschirm von den Anfängen bis hin in die Moderne spannt… (ach ja, spoiler alert: „Oh my Darling Clementine“ kommt ebenfalls vor!). „Der Schatz der Pilgerväter“: Alle an Bord für die legendäre Überfahrt mit der Mayflower, ähem Minnieflower! Denn Micky wird von Kater Karl (aka Kater Karlo) immer wieder mächtig übers Segelohr gehauen, bis er im Knast landet und dort einen gewissen Goof (kein aka nötig) trifft. Der hat vor lauter Begeisterung fürs Buddeln schon 5 Gänge gegraben (fast so „clever“ wie die Daltons…), dank derer Micky entkommt, seine Unschuld beweisen kann – und ganz nebenbei Amerika erobert.

Die „Oh My Darling Clementine“-Trilogie bringt neben den abgeschlossenen Kapiteln mit Indianerkriegen, der Schlacht am Alamo und Goldrausch die einzige Storyline mit mehreren zusammenhängenden Geschichten. Zentral ist dabei die Suche von Mick(y) nach seiner angebeteten Minnie Clementine, die er als Gesetzeshüter im „Treck nach Oregon“ aus den Augen verliert und nach diversen Abenteuern und Verwicklungen in „1000 Rinder, 1000 Meilen“ wieder findet. Mickys leicht traniger Gefährte Goofy spaziert ebenfalls durch die gesamte Sammlung: schon als Cowboy Goof ist er mit Mick befreundet. Generationsüberspannend schwingt sich dann Mickys Sohn als „Letzter Cowboy“ mit dem Flugzeug als Zirkusflieger durch die Lüfte (fragt mich nicht wozu der mit solchen Ohren ein Flugzeug braucht!), er findet flugs Erdöl und wird reich wie einst die Giganten und JR Ewing. Nebenher gründet Micky in der Sonne von Los Angeles das Film-Mekka Hollywood (und somit seine eigene Heimat), sein Freund Goofy fährt als Goof Carson sein Auto permanent zu Schrott, rettet ihn aber vor einem Betrüger, wodurch Micky sich (nochmal…) in Minnie verliebt – sie bekommen dann auch prompt ein Kind. Und dreimal dürft ihr raten, wer das ist!

Dass die Disneys immer gerne in die Geschichte steigen, ist nichts Neues: ganze Ausgaben der LTBs sind ja dem Thema „History“ gewidmet (und natürlich in passenden Schubern und anderen Collectibles erhältlich), von prähistorischen Zeiten über die Antike bis zur Renaissance und Entdeckung der neuen Welt, von Shakespeare bis Michelangelo – so ziemlich alles und jedes wurde schon von Micky & Co. unsicher gemacht, ganz zu schweigen von den Ducks, die den Wilden Westen gleich mehrfach und in persona des Mr. Scrooge McDuck vor allem bekanntlich den Klondike eroberten. Den Kunstgriff der epochenüberdauernden Charaktere löst die auf insgesamt 496 Seiten schön aufbereitete Amerika-Anthologie aus der Egmont Comic Collection, in die mit „Das Gesetz des Westens“ und „Der letzte Cowboy“ auch zwei deutsche Erstveröffentlichungen gepackt wurden, elegant: der gealterte Micky übergibt die Geschehnisse jeweils seinem Sohn, wie das in den Händen von Lee Falk ja schon ein gewisser Phantom im Dschungel tat und so zumindest scheinbar unsterblich wurde (tja, jetzt könnten wir auch mal kurz Semantik machen und über den Unterschied von „scheinbar“ und „anscheinend“ reden… aber das lassen wir besser). Somit symbolisch für die amerikanische Seele, durchlebt, verändert und bedingt die Kunstfigur erst die Geschichte, was schon Forrest Gump weidlich bekannt praktizierte.

Wir interviewen dabei George Washington, treffen den vorletzten Mohikaner und erleben den Siegeszug der Eisenbahn. Dabei reiht Autor Giorgio Pezzin naturgemäß leichte Variationen auf schwierige Themen wie Indianerkriege neben schmissige Western-Parodien (das wiederkehrende „Oh my Darling Clementine“ verweist mitsamt zugehörigem Lied auf den John Ford-Klassiker in Sachen Wyatt Earp, der auf Deutsch etwas unpassenderweise als „Faustrecht der Prärie“ firmiert, ebenso wie das „Eiserne Pferd“ einen frühen Ford-Western zitiert) und einer Hommage an die gesamttitelgebende „Once Upon A Time“-Amerika-Trilogie eines Sergio Leone. Dabei tritt Micky in den Rollen auf, in den wir ihn schätzen: als furchtloser Entdecker, findiger Detektiv und natürlich (als schöner Kommentar auf der berühmten Meta-Ebene) Filmmogul, stets begleitet vom trotteligen, aber sympathischen Goof und dem ewigen Fiesling Karlo. So haben wir das gerne, zumal stilistisch fast ausnahmslos aus einem zeichnerischen Guss von Massimo de Vita. Entenhausen ist eben überall – und vor allem auch zu jeder Zeit. (hb/tb)

Micky Maus: Es war einmal in Amerika
Text: Giorgio Pezzin
Bilder: Massimo de Vita, Fabrizio Petrossi
496 Seiten in Farbe, Hardcover
Egmont Comic Collection
29,99 Euro

ISBN: 978-3-7704-3911-9

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