Golden Dogs, Band 2 (Panini)

Februar 3, 2016

Golden Dogs, Band 2 (Panini)

Übermut, das ist so eine Sache – tut selten gut und führt manchmal sogar zum Fall. Vor allem, wenn man einen Verräter in seiner Mitte hat, wie die Golden Dogs, das legendäre Verbrecherquartett, das im viktorianischen London an die Spitze seines Geschäfts aufsteigt. In Band 1 konnten wir erleben, wie der zwielichtige Orwood die Prostituierte Fanny, den wandlungsfähigen Kastraten Lario und die findige Lucrezia auf ewige Treue und gemeinsame, wagemutige Raubzüge einschwört. Immer schon überschattet von dem erzählerischen Menetekel, dass das alles ein fürchterliches Ende nehmen würde. Jetzt finden sich die Golden Dogs auf dem Gipfel ihres Ruhms, der sie zu immer tolldreisteren Eskapaden verleitet. Mit frontaler Frechheit nehmen sie sogar den ersten Boss des langsam aufkeimenden Drogenhandels ins Visier, der den dekadenten Adligen und Großbürgern der Stadt durch sensationelle Importe aus den englischen Kolonien wunderbare Träume beschert. Die vier Haudegen begeben sich kurzerhand in die Höhe des Löwen und lassen aus dem Lagerhaus den ganzen Drogenbestand mitgehen. Aber damit nicht genug: sie bieten dem schäumendem Lord Stirloin – der hinter seiner ehrbaren großbürgerlichen Fassade den Kartellboss gibt – an, den Stoff zurückzukaufen, nur um ihn bei der Übergabe in eine Falle zu locken.

Fanny holt sich bei der Polizei die Belohnung für Stirloin ab, und die Golden Dogs sind wortwörtlich im Rausch: sie laden die Benachteiligten der Gesellschaft zu einem Fest, auf dem sie Alkohol und Drogen unters Volks werfen. Aber diese Rechnung haben sie ohne den Wirt gemacht – Stirloin paktiert mit Richter Aaron, dem klar ist, dass nur seine alten „Freunde“ von den Golden Dogs hinter der Sache stecken können. Am Abend ihres Triumphes sehen die Vier ihrem Untergang ins Auge: sie werden von den Truppen Aarons gestellt und trennen sich, Fanny entkommt nur knapp und flieht nach Paris, wo sie zu einer sagenhaft erfolgreichen Prostituierten aufsteigt. Aber selbst bist dorthin reicht Aarons langer Arm, so dass sie schließlich nach London zurückkehrt – an den Ort, an dem sie sich einmal im Jahr treffen wollten, wo sie jedoch vergeblich wartet. Nach zwei Jahren schließlich gibt sie dem Werben eines reichen Schönlings nach, dem sie nach Mexiko auf seine Hazienda folgt. Gepeinigt von der Erinnerung an ihre ehemaligen Kameraden und der Ungewissheit, was aus ihnen geworden ist, lebt sie dort einige Jahre, bis sie ihren höchst untreuen Gatten unsanft ins Jenseits befördert, das Erbe kassiert und erneut nach London zurückkehrt, wo eine Überraschung auf sie wartet…

Entgegen dem Titel des Bandes, der eigentlich den mysteriösen Drahtzieher des Verbrecherquartetts als Mittelpunkt erwarten lässt, richtet Stephen Desberg (u.a. Der Stern der Wüste, Der Skorpion) auch im zweiten Teil der Serie das Augenmerk eher auf Fanny, die spätestens in der zweiten Hälfte zur Zentralfigur der Geschehnisse avanciert. Aber Orwood entpuppt sich dennoch als Motor der Ereignisse: er plant die Beutezüge der Truppe, er mahnt Fanny dazu, nicht nach Liebe oder ähnlichen unsinnigen Dingen zu streben, sondern nach Macht, was sie in ihrem Leben im Exil in Paris und in Mexiko konsequent umsetzt. Orwood selbst erscheint dabei einmal mehr als Mysterium, der offenbar eine ehemalige Geliebte sucht, die an der Cholera erkrankt ist, und somit deutlich mehr Gefühle offenbart als er das gerne zugibt. Ironisch gebrochen wird der narrative Fluss durch Erzählkommentare, die nahelegen, dass sich zwei Protagonisten (darunter wohl Fanny selbst) in der Rückschau über das Geschehen unterhalten, das wir als Leser gerade erleben, was die Ereignisse mit Spannung auflädt, da wir im Gegensatz zu den handelnden Personen wissen, dass die Dogs dem Untergang geweiht sind. Daneben setzt Desberg wie in Teil Eins satirische Spitzen gegen die viktorianische Doppelmoral, in der Drogenkonsum zum guten Ton gehört, und die vorherrschenden Geschlechterrollen, die Fanny entweder geschickt für ihre Zwecke ausnutzt oder gar pervertiert, als sie in Paris ihre Freier selbst auswählt und dabei auch sexuelle Konventionen bricht.

Die Hintergrundstory bleibt durch den unheilsdräuenden Erzählerkommentar stets faszinierend, und die kühnen Aktionen der Dogs sind packend und schmissig gebracht, während Desberg auf den vor allem von Sylvain Cordurié genutzten Kunstgriff, reale Figuren der viktorianischen Zeit gleich mit mehreren fiktiven Vorlagen zu verweben, komplett verzichtet. Werner Goelen alias Griffo, mit dem Desberg schon bei ‚Sherman‘ zusammenarbeitete, inszeniert das Geschehen im gewohnten, detailfreudigen, leicht stilisierten Duktus, mit atmosphärischer Farbgebung, die an seine Zeichnungen für das ebenfalls historische Sujet ‚Giacomo C.‘ (dt. bei Comicplus) erinnert, und teilweisen beeindruckenden set pieces, wie etwa vom nächtlichen London oder auch vom mexikanischen weiten Land. Panini besorgt den Band für sein Albenprogramm wie stets hochwertig und mit einigen hübschen Bonus-Seiten mit Charakterstudien der Hauptfiguren. Der Cliffhanger lässt einiges für die Fortsetzung erwarten, auf die wir schon jetzt gespannt sind – schließlich wollen wir endlich wissen, wer denn der Verräter in den Reihen der güldenen Hunde ist. (hb)

Golden Dogs, Band 2: Orwood
Text: Stephen Desberg
Bilder: Griffo
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
13,99 Euro

ISBN: 978-3-95798-701-3

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