Tod auf dem Nil (Carlsen)

Mai 9, 2025
Agatha Christie Classics, Band 4: Tod auf dem Nil (Carlsen Comics)

England, 1937: die reiche Erbin Linnet Ridgeway bekommt Besuch von ihrer Freundin Jacqueline de Bellefort, die im Börsencrash verarmt ist. Ihrem Verlobten Simon Doyle geht es kaum besser, der Herr ist auf Stellensuche, und man überredet Linnet, ihn doch auf Probe einzustellen, damit die Turteltäubchen heiraten können. Dabei hat Jacqueline allerdings aufs falsche Pferd gesetzt: Linnet schnappt sich Simon kurzerhand nicht als Angestellten, sondern selbst als Ehemann und macht sich mit ihm auf nach Ägypten auf Hochzeitsreise. Jacqueline lässt sich nicht beeindrucken, folgt dem frischvermählten Paar auf Schritt und Tritt und droht unverhohlen mit empfindlichen Konsequenzen.

Das bekommt auch der Weltenbummler Hercule Poirot mit, der im gleichen Hotel abgestiegen ist und sich dort mit Rosalie Otterbourne und ihrer schriftstellernden Mutter sowie dem polternden Tim Allerton unterhält. Sogar als sich das Pärchen Doyle unter falschem Namen auf ein Nil-Kreuzfahrtschiff begibt, bleibt Jacqueline hartnäckig und taucht ebenfalls an Bord auf, worauf den auch mitschippernden Poirot ein dumpfes Gefühl beschleicht. Die illustre Gesellschaft, der auch Linnets Geschäftsführer Pennington und Poirots Bekannter Colonel Race auf der Suche nach einem Terroristen angehört, legt in Tempelmonument von Abu Simbel an, wo Simon und Linnet nur knapp einem herabstürzenden Felsblock entgehen.

Auf der Weiterfahrt kommt es dann zur Katastrophe: Jacqueline schießt auf Simon und verletzt ihn schwer am Bein, die Tatwaffe bleibt verschwunden. In der folgenden Nacht schließlich wird Linnet ermordet, man findet die Leiche am nächsten Tag, an die Kabinenwand ist in Blut der Buchstabe „J“ geschrieben. Trotz des scheinbar klaren Falles strengt Poirot seine berühmten grauen Zellen an und versucht, Licht ins Dunkel zu bringen…

Mit „Death on the Nile” erschien 1937 einer der bekanntesten Romane der Queen of Crime, in dem sie den rundlichen Belgier in exotische Schauplätze schickte, die ihr selbst bestens bekannt waren: seit ihrer Kindheit reiste Christie immer wieder nach Ägypten und residierte 1937 im damaligen Old Cataract Hotel in Luxor, wo sie direkt vor Ort auch Poirots neuesten Fall verfasste. Die Geschichte um die Ermittlungen auf einem Kreuzfahrtschiff avancierte zum Publikumsliebling, nicht zuletzt durch Theaterfassungen und die beiden Verfilmungen: 1978 spürte Peter Ustinov mit einem All Star Cast dem Täter nach, 2022 leitete Kenneth Branagh die Ermittlungen in seiner zweiten Christie-Adaption.

Stofflich spielt der Roman das bewährte Christie-Muster des „closed room“ voll aus: eine zusammengewürfelte Schar ist auf engem Raum eingepfercht, ein Mord geschieht, die Täter müssen sich unter den Anwesenden befinden, es werden rote Heringe ausgeworfen, und Poirot überführt am Ende die Missetäter – so war es in „Murder on the Orient-Express“ (eingeschneiter Zug), „And then there were None“ (Haus auf abgeschiedener Insel – wunderbar parodiert in „Murder by Death“) und auch „Hercule Poirot’s Christmas“ (eingeschneites Haus, die zweite). Getreu diesem Strickmuster (das u.a. auch Maigret-Erfinder Georges Simenon in seinem „Passagier der Polarlys“ anwendete) lässt sich Poirot eine Skizze des Schiffs anfertigen, um die wenigen möglichen Wege der Anwesenden nachzuvollziehen.

In Einzelverhören zieht sich die Schlinge immer enger, bis das ganze Komplott (das sich natürlich wieder gänzlich anders entpuppt als es den Augenschein hat) schließlich auffliegt. Im Gegensatz zur in die Swinging 60er geholten Adaption von „The Body in the Library“ („Die Tote in der Bibliothek“) aus der Reihe Agatha Christie Classics bleibt Isabelle Bottier genauso eng an der Vorlage wie Benjamin von Eckartsberg in seiner Umsetzung des Orient-Express: Schritt für Schritt entfaltet sich die Handlung im Dekor der späten 30er, optisch wunderbar inszeniert von Callixte im sehr an franko-belgische Klassiker angelehnten Stil. Wunderbar dabei auch kleine Details wie eine zauberhafte Hommage: als Poirot brüsk einen Whiskey ablehnt, ist deutlich die Marke Loch Lomond zu erkennen, der ja stets ein gewisser Kapitän Haddock nicht abgeneigt war. Somit ein weiterer, mehr als gelungener Beitrag zur Reihe, die mit einer Version von „Die Morde des Herrn ABC“ in die fünfte Runde gehen wird. (hb)

Agatha Christie Classics, Band 4: Tod auf dem Nil
Text & Story: Isabelle Bottier, nach Agatha Christie
Bilder: Callixte
72 Seiten in Farbe, Hardcover
Carlsen Verlag
20 Euro

ISBN: 978-3-551-80582-9

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