Tim und Struppi: Die Juwelen der Sängerin (Carlsen)

Dezember 6, 2023
Tim und Struppi Sonderausgabe: Die Juwelen der Sängerin (Carlsen Verlag)

Aufregung in Schloss Mühlenhof. Die Operndiva Bianca Castafiore hat sich angekündigt. Und das maximal kurzfristig. Zum Leidwesen von Kapitän Haddock, der sich noch rechtzeitig aus dem Staub machen wollte, der jetzt aber mit einem eingegipsten Fuss via Rollstuhl an sein Domizil gebunden ist und damit auch die Launen und vor allem Töne der Castafiore ertragen muss. Die erscheint auf der Mühlenhof-Bühne samt ihrer Zofe Luise und ihrem Pianisten Igor Wagner. Und schenkt Haddock einen plappernden Papagei. Nach einigen Wirrungen und Verwirrungen – die Presse dichtet Haddock und der „italienischen Nachtigall“ ein Verhältnis an – meldet die entsetzte Castafiore einen Juwelendiebstahl. Wobei Schulze und Schultze, die den Fall untersuchen, ganz schnell die vermeintlich Schuldigen ausmachen…

Bekanntlich hat Hergé an fast allen seinen Tim-Abenteuern immer wieder teilweise massiv herumgedoktert. Von ursprünglichen Schwarz-Weiß Storys wurden Farbfassungen erstellt, die Geschichten wurden neu gezeichnet, korrigiert und aktualisiert, weshalb von ein und derselben Episode verschiedene Versionen existieren. So auch hier, wenn auch weniger schwerwiegend. „Die Juwelen der Sängerin“ erschien ab 1961 im Magazin Tintin und dann 1963 als Album. Während in der Softcover-Edition bei Carlsen die Alben-Version vorliegt, kommt hier in diesem Sonderband die Version des Tintin-Magazins zum Abdruck. Und – was erfreulich ist, ein neues Lettering, das dem des Originals ähnelt (und inkl. Übersetzungs-Anpassungen – das früher im Deutschen verwendete Z-Wort wurde durch das unbelastete „Landfahrer“ ersetzt).

Tatsächlich tue ich mich mit dieser Episode (es ist das 21. Album der Reihe) schon immer schwer. Tim, Haddock und ihr Ensemble gehen weder auf große Fahrt, besuchen ferne Länder oder decken spektakuläre Geheimnisse auf. Die Story spielt ausschließlich auf und in Schloss Mühlenhof und in der näheren Umgebung. Die besagten Juwelen sind zwar verschwunden – ein wirklicher Fall entsteht dabei aber nicht. Ebenso gibt es keinen Widersacher oder Bösewicht. Vielmehr stellen Handlung und deren Episoden ein Konzentrat der Reihe dar, mit ihrem Stammpersonal und vielen immer wieder auftretenden Nebenpersonen (die Castafiore taucht erstmals in „König Ottokars Zepter“ auf), die hier allesamt ihre angestammten Rollen ausfüllen, ohne wirklich zu überraschen.

So ist Haddock von der Diva genervt, die seinen Namen nicht behalten kann und stattdessen bisweilen groteske Variationen davon kreiert. Bienlein versteht wieder nur Bahnhof. Schulze und Schultze sind auf dem Holzweg. Diverse Fährten erweisen sich als Sackgassen, nur Tim behält den Überblick und kommt am Ende auf den richtigen Trichter. Alles also wie immer. Liebenswert sind die zusätzlichen Running Gags, die Hergé hier in nimmermüden Variationen präsentiert. Die defekte Treppenstufe, über die gerne gestolpert wird. Der Handwerker, der immer wieder vertröstet. Der sprechende Papagei, der stets für Wirbel sorgt. Optisch hervorstechend sind die Nachtszenen im Wald und die abstrakten Fernsehbilder, wo sich Hergé abseits seiner Ligne Claire austoben konnte. 14 Seiten Bonus-Material mit zahlreichen Skizzen und zeitgenössischen Abbildungen erläutern die Entstehung des Albums, dem nur noch drei vollständige Tim-Abenteuer folgen werden. (bw)

Tim und Struppi Sonderausgabe: Die Juwelen der Sängerin
Text & Bilder: Hergé
80 Seiten in Farbe, Hardcover
Carlsen Verlag
23 Euro

ISBN: 978-3-551-79970-8

Tags: , , , , , , ,

Comments are closed.