Hoka Hey! (Splitter)

April 16, 2024
Hoka Hey! von Neyef (Splitter Verlag)

George ist noch ein Kind und als Lakota geboren. Doch Pastor Clemente, Verwalter des Reservats, nahm den Waisenjungen schon früh unter seine Fittiche, um aus ihm einen echten und damit natürlich weißen, bibeltreuen Amerikaner zu machen. Und nebenher einen willfährigen Diener. Eigentlich will George Arzt werden, ein Plan, den der Pastor nur belächelt. Ein Plan, der auch schnell Geschichte wird. Denn als sich Clemente unredlich mit einer Dame vergnügen will, taucht ein Trio Infernale auf: Little Knife, bedrohlich mit roter Gesichtsbemalung, No Moon, die Nase und Mund unter einem Tuch verbirgt und Sully O’Reilly, ein nicht gerade wohl riechender Ire. Schnell wird klar, dass die drei Outlaws sind. Und auf Rache aus. Vor allem Little Knife. Der sucht seinen leiblichen Vater, um sich für den Mord an seiner Mutter zu rächen. Und Pastor Clemente soll wissen, wo sich der Vater aufhält.

Als die Situation schließlich und wie erwartet eskaliert, entdecken die drei den flüchtenden George, bringen ihn aber nicht um, sondern nehmen ihn einfach mit. Bald macht es sich Little Knife zur Aufgabe, die verlorene indianische Seele und Identität des entwurzelten Jungen wieder zum Vorschein zu bringen, und damit sein Bewusstsein für Lakota-Traditionen – ein Motiv, das sich durch weite Teile des Bandes zieht. Bis die drei – jetzt vier – ihr Ziel, eine Bergbaustadt im Norden, wo Little Knifes Erzeuger leben soll, erreichen, verfolgen wir einen Roadtrip (freilich weniger auf Straßen als durch die Wildnis) mit diversen Begegnungen, die in der Regel tragisch und/oder blutig enden, bei denen die Weißen wahrlich keine gute Figur zeigen. Erlebnisse, die aus George vielleicht einen anderen Menschen machen, ihn aber auf jeden Fall zutiefst prägen werden. Außerdem haben die vier einen hartnäckigen, gnadenlosen Verfolger, der nicht locker lässt und ihnen immer weiter auf den Fersen ist…

Die Story dürfte irgendwann in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts spielen. Die Indianer sind bereits in Reservate eingepfercht, leben in Elend, fern von ihrer angestammten Heimat, kontrolliert und überwacht von den Weißen. Little Knife und No Moon waren beide bereits für „Buffalo“ Bill Codys (oder Ochsen-Willi, wie die Bayern sagten) Wild West Show engagiert, um dort ihre „Traditionen“ zur Schau zu stellen. Ist es in Western gerne so, dass Weiße von den Indianern entführt und assimiliert werden (wie beispielsweise im John Ford Klassiker „The Searchers“), verhält es sich hier etwas anders: George, der seinen wahren Namen nicht kennt, wird von „seinen“ Leuten quasi zurück entführt, damit er sich wieder auf seine wahre Herkunft besinnt. Zumindest Little Knife und No Moon zeigen sich dabei als Idealisten, wohl wissend, dass deren Zeit eigentlich abgelaufen scheint: lieber in Freiheit schnell und erfüllt leben, als ein trostloses Dasein im Reservat. Koste es was es wolle.

Autor und Zeichner Neyef (d.i. Romain Maufront) legt mit „Hoka Hey!“ (das Lakota Wort für „vorwärts“) einen meisterlichen Western vor – weit weg von dem klassischen Giraud-Stil, den beispielsweise auch Ralph Meyer in seinem „Undertaker“ pflegt –, der einmal durch seine wohldurchdacht konstruierte, konsequente Story besticht, in der viel Raum bleibt für die Charakterisierung der Figuren des Trios. Zum anderen fasziniert schon auf den ersten beiden Seiten die kräftige und dennoch stimmige Farbpalette, die die wilde Natur (und immer wieder den Himmel) eindrucksvoll und atmosphärisch in Szene setzt, ob abends beim wärmenden Lagerfeuer oder morgens im kühlen Wald. Dazu kommt ein schönes Spiel mit Licht und Schatten. Die Darstellung der Gesichter erinnert dabei an den Zeichenstil von Hub („Okko“, „Schlange und Speer“). Gibt’s bei all der Pracht auch was zu meckern? Höchstens über den Preis, denn günstig ist der Band nicht. Aber er sei dennoch jedem Western-Fan ans Herz gelegt. (bw)

Hoka Hey!
Text, Story & Bilder: Neyef
224 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
45 Euro

ISBN: 978-3-98721-245-1

Tags: , , , , , ,

Comments are closed.