Port Keenie, Maine, irgendwann in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. An der zerklüfteten Küste wird in der sogenannten „verfluchten Bucht“ ein Kutter gefunden. Vom Besitzer keine Spur. Dem örtlichen Sheriff Billings, nicht mehr der Jüngste und Agilste, wird in Person von Leutnant Lou Smog und Sergeant Lefty O’Farell externe Hilfe zugeteilt, um den Fall zügig aufzuklären. Lou und Lefty treffen dabei auf verschrobene Einheimische und verdächtige Fremde, wie einen umherstreifenden Verrückten, einen unerschrockenen Fischer oder einen skurrilen alten Herren. Sie alle kochen offenbar ihr eigenes Süppchen, welches sie nicht unbedingt mit der Polizei teilen wollen. Was Lou und Lefty umso mehr anspornt, das Geheimnis um die verfluchte Bucht, das zudem immer mehr Opfer fordert, zu lösen („Das Monster von Port Keenie“).
Nächstes Abenteuer: Auf dem Weg nach Mexiko City verschwindet ein Frachtflugzeug des Typs Dakota (Douglas C-47) spurlos. Der Besitzer der Fracht, die angeblich aus Autoteilen besteht, scheint nicht astrein zu sein, bietet er doch dem Chef der Fluggesellschaft eine horrende Summe für dessen Stillschweigen. Was Lou und Lefty auf den Plan ruft. Eine Spur führt die beiden zu zwei Gaunern, die bei der Carrera Panaméricana teilnehmen, einem Autorennen quer durch Mexiko. Um anonym und frei ermitteln zu können, schreiben sich Lou und Lefty mit dem halbwegs erteilten Segen ihres Vorgesetzten ebenfalls bei dem Rennen ein und versuchen trotz diverser Widrigkeiten und auftauchender Feinde Licht in den Fall zu bringen, der sich als komplizierter erweist, als es anfangs schien („Carrera Panaméricana“)…
Lou Smog als Gesamtausgabe? Eine Comicserie von Georges van Linthout? Weder die Reihe noch deren Autor und Zeichner traten bisher bei uns groß in Erscheinung. Dabei ist der Belgier van Linthout schon lange im Geschäft. Er half François Walthéry, den er seit Kindestagen kennt – man stammt aus dem gleichen Dorf -, bei dessen „Natascha“ aus und schuf gemeinsam mit dem renommierten Autor Rodolphe (u.a. „TER“, „Kenya“) die Reihe „Brian Bones“, die gegenwärtig ebenfalls bei Kult Comics veröffentlicht wird. Seine acht Lou Smog-Alben erschienen zwischen 1990 und 2001, die Figur erdachte er bereits 1986 für das Tintin-Magazin. Der erste Band der Gesamtausgabe beinhaltet nun die ersten beiden Alben, zwei Kurzgeschichten, sowie einiges an Sekundärmaterial, das den Zeichner und sein Umfeld näher bringt.
Die Hauptakteure der Reihe, die beiden Polizisten Lou Smog und Lefty O’Farell, pflegen einen nonchalant-humorigen Umgang miteinander, sind unerschrocken, verlieren nur selten die Kontrolle über die Situation und haben ständig einen lockeren Spruch auf den Lippen, wobei Lefty mit seinem irischen Temperament auch gerne mal aufbrausende Momente beisteuert. Auch brenzlige Situationen kontern die beiden Herren mit einem Lächeln im Gesicht. Ihre brisanten Missionen werden ihnen von ihrem Vorgesetzten Captain Kramer erteilt, der in der zweiten Geschichte erstmals in persona auftaucht, als erfrischende Mischung aus Kommissar Bourdon und J. Jonah Jameson. Die Settings der beiden Hauptepisoden sind komplett verschieden, werden aber von van Linthout jeweils gekonnt in Szene gesetzt: Hier das finstere, nasskalte, regnerische Maine mit seiner wilden Atlantik-Küste, dort das sonnige Mexiko (aber inkl. Schnee-Szenen) mit seinen Schotterpisten und Kakteen. Und vielen zeitgenössischen (Renn)Autos.
Beiden Geschichten gemein ist das jeweils bunte Figurenensemble, bestehend aus zwielichtigen, markigen Charakteren und potentiellen Verdächtigen – und jeweils einer interessanten und spannenden Auflösung, die am Höhepunkt des Spannungsbogens, also am Schluss, präsentiert wird. Georges van Linthout zeichnet in einem klaren Stil, der v.a. in Gesichtern einen hohen Wiedererkennungswert hat. Immer wieder zeigt er originelle Panel Ansichten, sehr detailliert und bis ins feinste akkurat ausgearbeitet (den Rennwagen mit dem Konterfei Eva Perons gab es wirklich). Auch die zweite Kurzgeschichte („Die eisige Jagd“) besticht mit ihrer winterlichen Szenerie (und erneut mit einer „Dakota“ in Nöten) und erinnert an Hermanns und Gregs Andy Morgan-Album „Der Hafen der Verrückten“. Der erste Lou Smog Integral Band überzeugt damit auf der ganzen Linie und zeigt, was da an franko-belgischen Comic-Schätzen noch schlummert. (bw)
Lou Smog, Integral Band 1
Text & Bilder: Georges van Linthout
136 Seiten in Farbe, Hardcover
Kult Comics
30 Euro
ISBN: 978-3-96430-236-6