Archäologie kann durchaus gefährlich sein, davon kann ein gewisser Dr. Jones diverse Geschichten erzählen. Auch Professor Thomsen, der alte Bekannte unserer Steampunk-Heldin Lady Mechanika, erfährt das leidvoll: als er gemeinsam mit seinem Kollegen Strassmann in Afrika nach uralten sumerischen Artefakten forscht, tritt ein Fiesling auf den Plan, der sich als Direktor Fleisch vorstellt und einige rabiate Freunde dabei hat, darunter Fräulein Kralle, deren Name durchaus Programm ist. Die Botschaft: die finsteren Gestalten haben Winifred, die Enkelin des Professors, in ihre Gewalt gebracht und halten sie in Deutschland gefangen. Thomsen soll für das Lumpenpack die Schicksalstafel finden, einen sagenhaften Gegenstand, der in sämtlichen Mythen und Legenden der Menschheit immer wieder auftaucht und angeblich die ultimative Waffe darstellt. Thomsen kooperiert notgedrungen und lokalisiert tatsächlich ein mysteriöses Objekt, das er gemeinsam mit Strassmann unter Zuhilfenahme diverser chiffrierter Botschaften zu einer unheilvollen Maschine zusammensetzt.
Aber unerkannt naht schon Rettung: Lady Mechanika hat sich längst auf die Fährte ihrer kleinen Freundin Winifred gesetzt, deren Bekanntschaft sie schon beim Fall der mechanischen Leiche machen durfte. Gemeinsam mit dem zwielichtigen Jabir reist sie per Luftschiff nach Deutschland, befreit das Mädchen und macht sich mit Jabir auf in Richtung Afrika, um auch Thomsen aus seiner misslichen Lage zu retten. Fräulein Kralle folgt ihr allerdings auf den Fersen und greift das Luftschiff mitten über der Sahara an: Lady Mechanika und Winifred überleben den Absturz, aber Jabir bleibt verschwunden. Nach einer ungemütlichen Wanderung durch die Wüste befreit Mechanika die kleine Eya aus den Händen von Sklavenhändlern, wofür ihr die Stammeskriegerin Akina durchaus dankbar ist und ihrerseits anbietet, bei der Suche nach den Luftschiffen zu helfen, die vor einigen Tagen den Dschungel überquert haben. Gemeinsam macht sich der Trupp also auf den Weg – nichtsahnend, dass die finsteren Gesellen um Direktor Fleisch gänzlich andere Dinge im Schilde führen, als es den Anschein hat…
Nach Abschluss des ersten Handlungszyklus „Das Geheimnis der mechanischen Leiche“ legt Joe Benitez (genauer gesagt sein Autor M.M. Chen) einen gewaltigen Zacken Exotik und Abenteuerlichkeit zu. Standen in der ersten Storyline noch die Steampunk-Ikonographie (fortschrittliche Technik in viktorianischem Gewand) sowie die Frage der Identität des Cyborgs Lady Mechanika im Vordergrund, die in der Jules-Verne-Hommage Mechanika City nach ihren Ursprüngen sucht, kredenzt uns das Team (erneut mit Benitez, Martin Montiel und Colorist Peter Steigerwald am Zeichenstift und M.M. Chen an der Tastatur) nun eine tiefe Verneigung vor den klassischen Adventure-Stories der populären Kultur. Die Nazis, die auf Teufel komm raus ein Artefakt suchen, das ihnen die ultimative Massenvernichtungswaffe in die Hand gibt, kennen wir natürlich aus den Raiders of the lost Ark, wo Dr. Jones erstmals in Fedora die Peitsche schwang, aber auch die Dimensionsexperimente der gleichen Herrschaften, die einen gewissen Hellboy in unsere Dimension zerrten, stehen hier Pate.
Lara Croft im Tüllrock als Vorbild konstatierten wir stets bei dieser Reihe – die abenteuerliche Jagd der Luftschiffe über Wüste und Dschungel grüßt zusätzlich aus dem Kino-Spektaktel die Mumie (genauer gesagt Teil 2), während die Angriffe auf diverse Festungen der Deutschen direkt aus einem der ersten Captain America-Hefte stammen könnte. Gewürzt mit einer Prise Dan Brown (Chiffren zeigen den Weg zur einer verborgenen Wahrheit) und garniert mit nicht wenig Alan Quatermain-Action, entsteht so ein bunter Abenteuer-Reigen ganz im Stile der seligen Cliffhanger-Serials, der ganz bewusst als eigene Storyline angelegt ist und somit auch neuen Lesern einen gelungenen Einstieg in diese Welt bietet. Die Pin-Up-Elemente dürfen natürlich erneut nicht fehlen, sei es in virtuosen Panels, die die kurvenreiche Mechanika in Szene setzen, oder in Portraits mit anderen ansehnlichen Damen. Und dass es am Ende eben doch nicht die Nazis sind, mit denen man es zu tun hat, sondern andere Fieslinge, bringt noch einen willkommenen Fantasy-Twist ins Geschehen. Der vorliegende Band vereint in gewohnt aufwendiger Aufmachung (mit Skizzenteil, Covergalerie und Interview) den kompletten zweiten Teil der Storyline „Die Schicksalstafel“. Band 4, „La Dama De La Muerte“, erwartet uns im Oktober. (hb)
Lady Mechanika, Band 3: Die Schicksalstafel
Text: Joe Benitez, M. M. Chen
Bilder: Joe Benitez, Martin Montiel
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-96219-111-5