Sláine, Band 1 (Dantes Verlag)

Juli 11, 2017

„Sláine, Du bist ein harter Hund!“ Diese, eigentlich wenig schmeichelhafte, Feststellung eines Auftraggebers trifft den Helm direkt auf den Kopf. In der wilden Welt von Tir Na Nog, dem Land der ewigen Jugend – zynisch so benannt, weil niemand dort alt wird – stiehlt, betrügt, kämpft und marodiert sich Sláine Mac Roth vom Stamme der Sessair nämlich wacker durchs Leben. Einst ein Mitglied der Elitetruppe des roten Zweiges, musste er sich aufgrund eines eher unklugen Vergehens (er machte Niamh schöne Augen, die aber dummerweise schon dem König versprochen war) eiligst aus dem Staube machen, schlägt sich seitdem mit allerlei dubiosen Jobs durch und versucht nach dem Ableben des Königs, wieder nach Hause zu kommen. Immer an seiner Seite weilt dabei der Zwerg Ukko, den Sláine zwar permanent loswerden will, der aber an ihm klebt wie eine Klette und immer wieder neue Geschäftsideen entwickelt. So etwa einen getürkten Kampf gegen ein Zeitenmonster, den Sláine durch einen faulen Trick gewinnt und so alle Wetteinsätze einstreicht. Das Preisgeld investiert der findige Ukko in einen Broch – einen Knast, aus dem nur entkommt, wer entweder seine Schulden bezahlt oder die Besitzer ordentlich besticht.

Eigentlich doch ein lukratives Geschäftsmodell, aber leider ist ein Insasse niemand anders als eine Schlange aus dem höllischen Sauerland, die unseren Held in Gestalt seiner alter Freundin Blathnaid beinahe umgarnt. Weiter auf dem Weg nach Norden, setzt Sláine seine Verwindungskraft ein – die Fähigkeit, sich mit den Kräften der Erde zu verbinden und so zeitweise zu einem rasenden Berserker zu mutieren. An Samhain, dem Tag, an dem die Toten auferstehen (auch genannt Halloween), fällt dem ungleichen Gespann ein neuer Auftrag zu: gegen fürstliches Entgelt sollen sie eine junge Frau, die als Kind aus ihrem Dorf entführt und zu einer Drunen-Priesterin wurde, retten. Die soll nämlich als Braut Croms dem verworfenen Lord Feg geopfert werden, wie das nun mal Brauch ist. Angekommen in Drunemeton, stellen Sláine und Ukku fest, dass die Dinge doch etwas anders liegen – und plötzlich finden sie sich in einer gewaltigen Figur aus Bast wieder, zusammen mit etlichen Schuldigen und auch Unschuldigen, die ihrerseits auf ein feuriges Finale warten…

Mit dem Wüterich Sláine Mac Roth schuf Pat Mills Anfang der 80er Jahre – mitten im Fantasy-Boom, den die düstere Verfilmung um Conan den Barbaren 1982 auslöste – einen mehr als legitimen Nachfolger des Vaters aller Muskelprotze. Anders als sein Sword and Sorcery-Onkel erblickte Sláine das Licht der Welt allerdings nicht erst in Form der Pulp-Romane, sondern gleich auf den Seiten der Comics, die der Cimmerier in den Händen von Roy Thomas und Barry Windsor Smith ja erst in den 70ern für sich eroberte: Mills fungierte als Erfinder und erster Herausgeber des formativen britischen Magazins 2000 AD, in dem sich bekanntlich auch ein rabiater Gesetzeshüter namens Dredd die Ehre gab. Mills‘ Figur ist in mehr als nur einem Aspekt deutlich an Conan angelehnt, von der muskelbepackten Statur über die übermenschliche Stärke und Kampfkraft bis hin zum Sammelsurium von Tätigkeiten, mit denen man den Lebensunterhalt bestreitet – Söldner, Abenteurer, Dieb, Hochstapler, all diese „Berufe“ übte auch Conan aus (der sich ja sogar als Pirat versuchte, wo er eine gewisse Königin der schwarzen Küste traf).

Auch die reichhaltige Götter- und Dämonenwelt finden wir schon beim Cimmerier wieder, allen voran im Obervater Crom, der auch hier das Sagen zu haben scheint. Im Unterschied zum weitgehend frei fabulierten Lande Hyboria Conans lehnte sich Mills allerdings in seinem Fantasy-Reich stark an die keltischen Mythen und Legenden an: so etwa taucht dort das „Andersland“ Tir Na Nog in verschiedenen Varianten auf, seine Gebiete mit Namen Albion und Eriu spiegeln eine durchaus mögliche, noch mit dem Festland zusammenhängende britische Landmasse vor einer fiktiven großen Flut. Die magische Kraft der Erde und ihrer Göttin Danu, die keltische Druiden durch Menhire – geheimnisvolle stehende Steine – anzuzapfen hofften, beschäftigt auch heute noch Generationen von Reisenden in den britischen Inseln, die versuchen, den Sinne von Stonehenge und anderen Kreisen zu ergründen. Selbst die etwas eigentümliche Verwindungskraft (im Original „warp spasm“ genannt) ist in der gälischen Sagenwelt verwurzelt: im Ulster-Zyklus mit Namen „Legenden um den roten Zweig“ wird die Hauptfigur, der Held Cú Chullain, der eine weitere Vorlage für Sláine lieferte, bisweilen von einem seltsamen Blutrausch befallen (von dem er sich dann offenbar auf seinem sick bed erholen muss, von dem uns ja die Pogues berichten). Mit dem riesigen Weidenmann, in dem der Kult von Feg dem Gehäuteten gerne mal Menschenopfer darbringt, kommt sogar der Wicker Man zu Ehren, den Christopher Lee im Gruselklassikerkino schon 1973 anzündete, bevor ihn dann die anderen britischen Nationalhelden Iron Maiden schwungvoll besangen.

Mit diesem reichen kulturellen Erbe im Gepäck steht Sláine eher in der Tradition einer anderen, weniger bekannten Schöpfung von Conan-Vater Robert E. Howard, der mit Bran Mak Morn den letzten König seiner doch eher romantisierten Version der Pikten ins blau bemalte Rennen schickte. Außerdem ist Sláine gesegnet mit einem zynischen, trockenen Humor, der in der Schilderung der Geschehnisse durch seinen sidekick Ukku (auch hier eine kleine Hommage an das erste Conan-Abenteuer, das eingangs durch eine knorrige Stimme verkündet: „Let me tell you of the days of high adventure!“) ebenso satirische Seitenhiebe enthält wie in der locker-süffisanten Art Sláines selbst. Die ersten Gehversuche unternahm diese schillernde Figur in der Feder von Mills‘ damaliger Lebensgefährtin Angie Kincaid 1983 in Ausgabe 330 von 2000 AD, wo mit der Story „Das Zeitenmonster“ die Hauptcharaktere und Settings eingeführt wurden. Der Vierteiler „Das Biest im Broch“ (2000 AD Nr. 331-334) präsentierte mit Massimo Bellardinelli am Zeichenstift eine logische Fortführung des Stils von Kincaid, die in atmosphärischem Schwarz Weiß und Licht-/Schatten-Kontrasten arbeitet.

Als für „Morgendämmerung“ (Nr. 335) und „Der Beltane-Riese“ (Nr. 336) dann Mike McMahon (seines Zeichens immerhin Erfinder der ABC Warriors) den Zeichenstift übernahm, steckte Cheffe Mills dafür wohl einige Kritik ein: zu ziseliert, zu verkünstelt schien die stark mit Bleistiftstrich umgesetzte Darstellung – „damals waren die Fans manchmal grausam“, resümiert er im Vorwort der Neuauflage von 2010. Für den Handlungszyklus „Die Braut Croms“ (Nr. 337-342), „Schleichender Tod“ (Nr. 343) und „Stierspringer“ (Nr. 344) holte man folgerichtigerweise Bellardinelli wieder an Bord, bevor sich McMahon dann in „Heldenblut“ (Nr. 345-347) nochmals versuchen durfte. Nach einer Neuauflage im britischen Hause Rebellion bringt nun der Dantes Verlag die ersten Abenteuer in chronologischer Reihenfolge vollständig als deutsche Erstveröffentlichung auch unter die hiesige Leserschaft, in schönem Magazin-Großformat mit Einleitung, einer Abhandlung zu Mills‘ Quellen sowie einigen 2000 AD-Covern. Angesichts des langen, immer noch andauernden Comic-Lebens von Sláine, der in späteren Inkarnationen unter anderem auch von Simon Bisley gezeichnet wurde, steht uns hier wahres Füllhorn an Material bevor. (hb)

Sláine, Band 1: Morgendämmerung
Text: Pat Mills, Angie Kincaid
Bilder: Massimo Belardinelli, Angie Kincaid und Mike McMahon
128 Seiten in schwarz-weiß, Softcover
Dantes Verlag
16 Euro

ISBN: 978-3-946952-02-2

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