Vorhang auf für den zweiten Band der Gesamtausgabe des alten Zack-Recken Tony Stark. Und der ist zugleich der letzte, denn mit den vier hier abgedruckten Episoden liegen auch schon alle Abenteuer um den reisenden Schriftsteller vor. Los geht’s mit „Die Wolkendiebe“. Gemeinsam mit der deutschen Umweltaktivistin Karin Stern, die wir bereits aus dem ersten Band kennen, macht sich Tony auf, in den Weiten Nevadas den Grund für das seltsame Verhalten der Wildpferde herauszufinden und stößt dabei unbeabsichtigt in ein Wespennest, das aus einer ultrageheimen Versuchsstation der US Air Force besteht. Die Geschichte erschien 1979 erstmals im Zack-Magazin und zwei Jahre später (nach dem Ende des Magazins) als Album, gemeinsam mit einer „Turi und Tolk“ Episode aus der Feder Dieter Kalenbachs. Das nächste Tony Stark-Abenteuer ist ein echtes Juwel, kommt es hier doch erstmals im Albumformat und in seiner Gänze zum Abdruck als „Die Diamanten des Mr. D.“ Die einzige Veröffentlichung erfolgte in sechs Episoden über zwei Jahre verteilt ab 1978 in den Taschenbüchern der Zack Parade. Tony reist nach Sri Lanka, um dort die Forschungs-Arbeit einer Fischaufzucht zu dokumentieren und um nebenher ein wenig zu tauchen. Nur leider kommen er und sein Kumpel Raga dem skrupellosen Dedecker in die Quere, der die beiden schließlich gegen ihren Willen in seine Geschäfte einspannt.
Massiver Szenenwechsel: Tony in der Arktis. Auf Vermittlung der wie immer forschen Karin Stern nimmt der Autor und Abenteurer an einer Expedition teil, der „Operation Jonas“, die per Sprengung vier seltene Finnwale aus einer Packeis-Lagune befreien soll. Ein nicht ungefährliches Unterfangen, das schnell eine viel größere und äußerst heikle Dimension bekommt. Denn neben den Walen ist auch ein russisches U-Boot im Eis gefangen. Mein absolutes Tony-Stark-Lieblingsabenteuer erschien 1980 im Zack (Nr. 15-23), kurz vor Einstellung des Magazins (mit der Nr. 32), als die unselige Kevin Keagan-Story bereits im Heft ihr Unwesen trieb. Ein Nachdruck im Albumformat folgte drei Jahre später in Ehapas Sammel-Reihe „Detektive, Gauner und Agenten“. Auch das letzte Abenteuer wurde in dieser Reihe veröffentlicht, und zwar bereits ein Jahr zuvor. In „Das Leben der anderen“ verschlägt es Tony, diesmal ist nach langer Zeit wieder Vater mit von der Partie, ins Herz Afrikas. Eigentlich will er dort die Arbeit der Ranger beobachten, über eine Bonzen-Safari berichten und nebenher Urlaub machen. Aber aus alldem wird nichts, den er gerät in dem politisch instabilen Land zwischen die Fronten und muss sich zudem noch mit dem arroganten Millionärssohn herumschlagen, der skrupellos auf Pelztierjagd gehen will.
Hier, in der zweiten Hälfte seines Comic-Daseins verlässt Tony endgültig die anfangs angedachten und verwirklichten Neo-Western-Pfade und wird zum Globetrotter. Zwar spielt „Die Wolkendiebe“ noch im klassischen Western-Areal, erhält aber durch die gebotene, futuristische Technologie seiner „Widersacher“ einen Science Fiction Anstrich, der dem Western-Ambiente geschickt einen Gegenpol setzt. Der Sri Lanka Ausflug wirkt durch die Episoden hafte Handlung – Aidans zeichnete damals für den Koralle-Verlag, weshalb dies auch beabsichtigt war – etwas holprig. Die Geschichte erinnert – auch mit ihren Yachten – an ein typisches Andy Morgan Abenteuer. Kein Wunder, dass Aidans später (1992) ein kurzzeitiger Nachfolger Hermanns als Zeichner dieser Reihe wurde. Die arktische Walbefreiung ist fesselnd und überaus spannend in Szene gesetzt, und damit auch optisch ein Leckerbissen, wohingegen die abschließende Afrika-Episode wieder etwas ungelenk daherkommt und ein wenig sehr schnell endet, auf der zeichnerischen Seite aber am beeindruckendsten und opulentesten gestaltet ist (die Kolorierung aller Seiten stammt übrigens von Aidans‘ Frau Luce Daniels). Jedes Abenteuer bis auf das in Sri Lanka ist zudem mit einer originellen Einleitung versehen. Das sind Dreharbeiten zu einem Western, schön in Sepia und in schmalen Breitwandpanels gehalten (übrigens mit Clint Eastwood, Charles Bronson und John Wayne), die dann von Karin Stern gesprengt werden, eine arktische Bergsteiger-Episode voller Action und Dramatik und eine Elefantenjagd per Hubschrauber, die ohne jegliche Worte auskommt.
Apropos Elefantenjagd: die Geschichten warten zusätzlich mit einem ökologischen Aspekt auf. Das sind das unnatürliche Verhalten von Wildpferden und damit die Auswirkungen des Eingriffs in die Natur durch den Menschen. Bedrohte Fischarten und deren leider nötig gewordene Nachzucht und illegale Ausbeutung in Entwicklungsländern. Die verheerende Walfanghistorie wird angesprochen und schließlich noch die Großwildjagd an den Pranger gestellt, indem der schwerreiche Jäger schon fast als Karikatur überzeichnet den unbelehrbaren Idioten gibt, an dem Tony beinahe verzweifelt. Eine äußerst gelungene Gesamtausgabe inklusive interessantem und informativem Bonusteil, die hoffentlich ihre Abnehmer findet und so das Tor zu weiteren Integrals ähnlicher Art öffnet. Mir fallen da spontan weitere klassische Zack-Serien ein, die nie komplett gewürdigt wurden, wie „Sven Janssen“ oder „Tunga“, beide auch aus der Feder des 1930 in Belgien geborenen Édouard Aidans, oder auch „Barracuda“ von Albert Weinberg. Das wäre doch mal eine feine Sache. Auch diesen zweiten Band gab es übrigens in einer Deluxe-Edition im Leinen-Hardcover und einem von Aidans signiertem Exlibris, limitiert auf nur 99 Exemplare, die natürlich wieder längst ausverkauft sind. (bw)
Tony Stark, Integral 2: Das Leben der anderen
Text: Édouard Aidans, Jean van Hamme
Bilder: Édouard Aidans, Claude Laverdure, Luce Daniels
200 Seiten in Farbe, Hardcover
Kult Comics
29,95 Euro
ISBN: 978-3-9817960-0-1