V-Wars, Band 2 (Cross Cult)

März 9, 2016

V-Wars, Band 2 (Cross Cult)

Irgendwo in Amerika: in einem Diner richten zwei Bloods ein fürchterliches Massaker an. Schrecklich, aber nicht ungewöhnlich: denn das V-Virus, das schlummernde Junk-DNA aktiviert und Menschen unvermittelt in Zombies verwandelt, wütet weiter und bringt immer absonderlichere Formen untoten Lebens ans Licht. So auch hier, denn man hat es offenkundig mit der Untergattung der Nelapsi zu tun, die nekrophag sind – also kein Blut saugen (das wären ja die hämatophagen, wie wir lernen), sondern Menschen mit Haut und Haaren fressen. Ein klarer Fall für den umtriebigen Luther Swann, der als Wissenschaftler in den Vampir-Kriegen nach wie vor in den Reihen der militärischen Einheit V8 kämpft. Gemeinsam mit dem „Big Dog“ genannten, verbissenen Sergeant Nestor und seinem Kommando von Himmelhunden macht sich Swann auf in eine verlassene Mine, in die die Spur des Nelapsi führt, der ein bemerkenswertes Erkennungszeichen hat: einen Mikrochip, der darauf hindeutet, dass man die Kreatur bewusst steuert.

Tief unter der Erde macht man eine so erstaunliche wie erschreckende Entdeckung: in einem High-Tech-Labor entwickelt man offenbar ein Gerät, mit dem das schlafende Vampir-Gen aufgespürt werden kann. Diese Erfindung könnte zum einen dem Vampir-Krieg eine entscheidende Wendung geben – zum anderen aber auch in den falschen Händen zu katastrophalen Konsequenzen führen. Zu allem Überfluss züchtet jemand zum Schutz des geheimen Wirkens gezielt Vampire als optimierte Super-Soldaten, die der V8-Einheit vor Ort gewaltig einheizen. Unter der Erde trifft man ebenfalls auf den Spezialagenten Captain Ledger, der aufgrund der Übermacht seine Meinung ändert: getreu dem Motto des alten Cato muss hier alles zerstört werden, anstelle Beweise zu sammeln. Dabei hilft es nicht gerade, dass die Truppe getrennt wird und die Soldatin Leshoda feststellen muss, dass ihr Mitstreiter Taurus eigentlich auch ein Blood ist, der allerdings beteuert, auf ihrer Seite zu sein…

Szenenwechsel, Paris: Leshoda und Taurus, die den ganzen traurigen Rest der versprengten V8-Einheit ausmachen, werden auf eine gefährliche Mission entsendet. Die mysteriöse Strega hat einen weiteren V-Gen-Tester gestohlen und plant schnöde, dieses hochkostbare Gut an den meistbietenden Staat, Terrorist oder Verbrecher – gerne auch alles in einem – zu verscherbeln. Das gerät zu einem äußerst brenzligen Unterfangen, da das Interesse nicht nur am Gerät, sondern auch an den beiden Elitesoldaten nicht gerade gering ist. Währenddessen wundert sich Luther nicht schlecht, als seine alte Bekannte Yuki sich wieder bei ihm meldet – die Dame, die sich selbst als gewissenlose, quotenversessene (sie verwendet ein anderes Adjektiv, aber so etwas sagt man nicht) Skandalreporterin bezeichnet, will offenbar wieder in die Ermittlungen im V-Krieg einsteigen und kocht dabei wieder ein ganz eigenens Süppchen…

Jonathan Maberry spinnt den genialen Grundeinfall einer Virus-Plage mit Vampir-Auswirkungen, die wir schon im ersten Band atemlos verfolgten, in diesen beiden Einzelstorys gekonnt weiter und wendet dabei das Grundprinzip an, das ‚The Walking Dead‘ zu solch einem Dauerbrenner macht. Es geht zwar immer auch um spektakuläre Konfrontationen zwischen Untot und Lebend, die vor allem in der ersten Storyline deutlich an manche wilde Menschen-Hatz von Aliens und Predatoren erinnern, aber Maberry legt den Fokus stets auch auf die Effekte, die dieses wilde Treiben auf die zwischenmenschlichen Beziehungen und die immer fragiler werdende Zivilisation hat. Big Dog ist keineswegs nur ein tumber Kommisskopf, sondern radikaler Christ, der überzeugt ist, die Apokalypse sei endgültig hereingebrochen. Swann stellt die berechtigte Frage, inwieweit Forschung jenseits aller Moral erlaubt ist, wenn sie denn der wie auch immer gelagerten großen Sache dient. Der Blood Taurus verficht die Theorie, dass Gut oder Böse nicht von den Genen entschieden wird und er trotz V-Virus auf der Seite der Menschen weiterkämpft, was an einen Grundstreit der Geistesgeschichte rührt (ist der Mensch einfach von seinen Anlagen bestimmt und eher mal böse, wie das Herr Hobbes meinte, oder ist er erst einmal nobel und wird durch seine Umwelt geformt, wie das sein Kontrahent Rousseau behauptete?).

Auch die politische Aktualität bleibt nicht außen vor: die Frage, wie man sich in einem Zivilisationskrieg behauptet, in dem der Gegner nichts zu verlieren hat und eine vollständig andere Wertebasis vertritt, steht durchaus in der Nähe zu den Brandherden des Hier und Jetzt. Vor allem die zweite Storyline stellt in der zunehmend radikalisierten Figur der Leshonda dann die Frage, ob ein kompromissloses Jagen des „Anderen“ nicht die wahre Entmenschlichung ist, die in gefährliche Nähe zum Faschismus gerät, während Luther dagegen die Vision einer Welt ohne Hass und Misstrauen stellt (immerhin ist die illustre Sphäre der Prominenten schon durchsetzt mit Bloods, was einige witzige Seitenhiebe erlaubt… ist nun Kate Winslet einer? Und wundert es uns, dass Stephen King dabei ist? Oder gar der Anführer der freien Welt selbst?). Neben diesen hochphilosophischen und weltpolitischen Akzenten steht allerdings auch erneut eine furiose Neuinterpretation des Vampir-Motivs, in der die Langzähne weit weg von jeder Twilight-Romantik knallharte, variationsreiche Killer sind, in die sich – und das ist der besondere Reiz der Idee – jeder ohne Vorwarnung verwandeln kann. Und das durchaus ohne den Humor eines Spike bei Buffy oder die Noblesse eines Graf Dracula. Spektakuläre, spannende, erfrischend neue, politisch ambitionierte Vampir-Action also, die das Zeug hat, eine ähnliche untote Langlebigkeit zu entwickeln wie die Endlos-Reihe um die herumwandelnden Toten. Der vorliegende, von Cross Cult wieder im stylischen Hardcover aufgemachte Band enthält die US-Ausgaben V-Wars 6-11 von 2015. (hb)

V-Wars, Band 2: Das Monster in uns
Text: Jonathan Maberry
Bilder: Alan Robinson, Ryan Brown
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Cross Cult
19,80 Euro

ISBN: 978-3-86425-579-3

Tags: , , , , , , ,

Comments are closed.