
Zehn Jahre nach den Ereignissen des ersten Bandes ist Peter Parker wieder ein Gefangener. Und zwar von „Kingpin“ Wilson Fisk, der inzwischen als despotischer Bürgermeister über die Stadt New York herrscht, die noch immer durch das WEBB-System hermetisch von der scheinbar apokalyptischen Außenwelt abgeschirmt ist. An zahlreiche Schläuche und Kabel angeschlossen (das Bild erinnert an das ikonische Waffe X/Wolverine Motiv von Barry Smith) döst der gealterte Peter in seiner Traumwelt, einmal mehr vereint mit Mary Jane, seiner großen Liebe, die schon lange tot ist – wir erinnern uns: für ihren Tod gibt er sich die Schuld.
Plötzlich wird er aus seiner Stasis gerissen, befreit und findet sich in der harten Realität wieder: New York ist überbevölkert, die Ressourcen sind knapp, Stromausfälle sind an der Tagesordnung. Proteste und Demos sind verboten und werden brutal unterbunden oder niedergeschlagen. Schlimmer noch: Fisk kündet das Ende von WEBB an, samt drohendem Armageddon, bietet aber einen Ausweg, den wir beim Lesen natürlich sofort als Sackgasse entlarven. Nun liegt es wieder einmal an Peter, die Stadt zu retten. Aber nicht im Hier und Jetzt. Sondern in der Vergangenheit. In EINER Vergangenheit. Eine, in der MJ noch lebt?
Achtzehn Jahre nach dem Erstling, der kaum kaschiert Frank Millers modernem Klassiker „The Dark Knight Returns“ nacheiferte, legt Autor und Zeichner Kaare Andrews die Fortsetzung vor, die dankbarerweise keine einfache Variation des ersten Teils darstellt, obwohl einige Elemente wiederverwertet werden. Natürlich ist Peter wieder der alte Mann, der sich graubärtig und zottelig durch die Häuserschluchten schwingt und dem eventuell die einmalige Möglichkeit geboten wird, die Vergangenheit zu ändern – sprich Mary Jane nicht nur „real“ wiederzusehen, sondern diesmal auch zu retten. Dabei ignoriert er seine (nicht wirklich definierte) Aufgabe und sucht verbissen und ohne Rücksicht nach seiner Herzdame.

Das typische Spiel bei derartigen alternativen Geschichten – vertraute Serien-Charaktere in ganz neuen Rollen zu sehen – funktioniert auch hier wieder und weiß zu überraschen. Wir begegnen – ohne zu viel zu verraten – dem Grünen Kobold, einer Black Cat Variante, einem weiteren Spider-Man und wieder einem gewissen Symbionten. Und die Episode mit Tante May geht schon fast ans Herz. Ansonsten wird uns ein wilder Ritt geboten: Bei der Action und beim Pacing der Story legt Andrews massiv zu, das Finale ist einmal mehr überbordend und fast schon überfrachtet mit etwas zu viel Hollywood Ending.
Schlug der erste Band noch zeichnerisch in Richtung Frank Miller aus (samt TV-Sendungen, die das Geschehen erläuterten), erinnern Kaare Andrews‘ Panels und Splashpages nun auch in ihrer Dynamik mehr an den legendären Spider-Man Run von Todd McFarlane, inklusive ähnlicher Darstellung von Mary Jane. Und Fisk, der bei seinem Kurzauftritt im ersten Teil noch arg abgemagert war, ist hier zu einem Cyborg Schurken mutiert, mit massivem Körper, den so einst Bill Sienkiewicz zeichnete. Der Band beinhaltet die fünf US-Hefte „Spider-Man: Reign II“, die von September 2024 bis Januar 2025 erschienen sind und ist damit etwas dünner (und günstiger) als Band 1, wobei auch hier wieder (siehe links) eine limitierte Hardcover Version erhältlich ist. (bw)
Spider-Man: Reign – Das Regime, Band 2
Text & Story: Kaare Andrews
Bilder: Kaare Andrews, Brian Reber (Farben)
120 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16 Euro
ISBN: 978-3-7416-4105-3