Spirou: Der Liliput-Trick (Carlsen)

Januar 27, 2025
Spirou Deluxe: Der Liliput-Trick (Carlsen Comics)

Ganz wichtig ist er, der exklusive Termin, den Fantasio in Kürze in Rummelsdorf wahrnehmen will. Etwas für eine Reportage fotografieren, was es noch nie gab. Mehr verrät Fantasio nicht – Spirou soll sich überraschen lassen. Doch abends kehrt Fantasio nicht ins Schloss zurück, auch am nächsten Morgen fehlt von ihm jede Spur, weshalb sich Spirou langsam Sorgen macht. Gemeinsam mit Pips und dem Marsupilami suchen die drei nach dem Freund. Und finden ihn. Besser gesagt: sie finden eine Fantasio-Figur, höchstens 15 cm groß, die bis ins kleinste Detail mit ihrem großen Vorbild übereinstimmt. Selbst die Fingerabdrücke, die Spirou per Mikroskop untersucht, passen. Was nur einen Schluss zulässt: Die Figur IST Fantasio, geschrumpft und „eingefroren“! Doch wie kann das sein? Wer kriegt so etwas hin? Eine erste Spur führt Spirou zu einem Dr. Solfatare, der sich mit Schrumpfköpfen beschäftigt und der sich ihm gegenüber als außerordentlich unfreundlich gibt…

Die (heute) 30 Seiten umfassende Geschichte nimmt im Spirou Kanon eine Sonderstellung ein. Denn sie erschien nicht zuerst im Spirou Magazin, sondern ab 1960 als PR-Maßnahme in der Tageszeitung „Le Parisien libéré“ in sechs Streifen pro Ausgabe, die insgesamt 20 Seiten ergaben. Und in Schwarz-Weiß. Für spätere Veröffentlichungen musste die Streifen, bzw. Panels dann ummontiert werden, womit das heutige Erscheinungsbild der Geschichte entstand. Auch eine Neukolorierung fand statt – die besorgte wie schon bei den „Bravo Brothers“ Frédéric Jannin, ein ehemaliger Mitstreiter Franquins. Die Story ist in mehrere Abschnitte unterteilt: Zuerst der Fund der Figur, mit einer Aneinanderreihung von Slapstick-Szenen, als Spirou den Miniatur-Fantasio „retten“ muss. Dann die Nachforschungen Spirous, mit der Actionsequenz, in der das Marsupilami den Doktor verprügelt. Es folgt die Aufklärung, verbunden mit der Vorstellung einer neuen Technik, die heute noch bzw. wieder aktuell ist. Und abschließend die „Jagd“ nach dem echten Fantasio auf dem Rummelplatz.

Panelvergleich: Beschreibung siehe unten

Geschaffen wurde die Episode natürlich von André Franquin, der sich aufgrund des enormen Arbeitspensums einen Assistenten suchte und diesen in Jean Roba fand, einen jungen Zeichner, der noch nicht lange seine eigene Gag-Serie namens „Boule und Bill“ im Spirou Magazin veröffentlichte. Die beiden teilten sich die Arbeit an der Geschichte, wobei Roba vornehmlich – aber nicht nur – für die Hintergründe zuständig war. Die Episode erschien bei uns zuletzt im Spirou Album Nr. 15 („Tiefenrausch“) und in Band 6 der aktuellen Gesamtausgabe. Für diese Deluxe-Ausgabe wurde die Geschichte neu übersetzt, neu gelettert und eben neu koloriert. Das Herz dieses Bandes ist aber nicht die Story an sich, sondern die abgedruckten Faksimile Streifen, die man für diese Ausgabe erstmals zusammen getragen hat und die hier Seite für Seite von Christelle und Bertrand Pissavy-Yvernault kommentiert und vertieft werden (beide haben sich bereits des Öfteren Sachbuch-technisch mit Künstlern aus dem Hause Dupuis beschäftigt).

Beispiele: Die Begegnung mit Federkiel und seinem Oldtimer – ein Running Gag in Spirou, dessen Hintergründe hier beleuchtet werden. Oder natürlich das berühmte Cameo von Boule und Bill auf dem Rummelplatz in zwei Panels. Die Dynamik und Analyse der einseitigen Keilerei, als das Marsupilami den armen Doktor vermöbelt. Die Licht- und Schatten-Effekte Franquins (bzw. Robas), die dieser später in seinen Schwarzen Gedanken auf die Spitze brachte, und damit verbunden die Unterschiede der Zeichenstile der École Marcinelle und der von Hergé kreierten Ligne Claire. Ergänzt wird der Band durch diverse zeitgenössische Abbildungen, die einige der Zeitungsseiten im ursprünglichen Format zeigen. Damit richtet sich diese Ausgabe an Fans und Sammler und alle, die die Entstehung eines Comic-Klassikers noch einmal akribisch nachvollziehen möchten. Und wer „Die Bravo Brothers“ schon
im Regal stehen hat, braucht auch den „Liliput-Trick“. Definitiv.

Panelvergleich (s. rechts) von oben nach unten:
Die Reproduktion des Tusche-Originals von Franquin und Roba, darunter das gleiche Panel aus dem Spirou-Album Nr. 15 mit sperrigem Lettering (aus Fiffi wird später Hasso) und der alten Kolorierung.
Dann die neue, etwas dezentere Farbgebung von Jannin und die genauere Übersetzung, ermöglicht durch das ebenfalls neue, engere Lettering. Unten dann das Panel, zwar eingedeutscht, ansonsten in der Optik, wie es 1960 in der Zeitung erschien.

(bw)

Spirou Deluxe: Der Liliput-Trick
Text & Story: André Franquin
Bilder: André Franquin, Jean Roba, Frédéric Jannin (Farben)
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Carlsen Verlag
34 Euro

ISBN: 978-3-551-80485-3

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