Night of the Ghoul (Splitter)

Juli 23, 2024
Night of the Ghoul (Splitter Verlag)

Leinwandabenteuer können ganz schön lebendig sein. Davon ist auch Forest Innman überzeugt. Hauptberuflich digitalisiert der Herr alte Filme und rettet sie somit vor dem Untergang. Privat zeigt er sich vom Kino ebenso fasziniert und steuert mit seinem Sohn Orson eines Nachts ein Pflegeheim an, wo er einen gewissen Mr. Patrick besucht. Dem durchaus mitgenommenen, von einem Brandunfall schwer gezeichneten Greis eröffnet Innmann, dass er sein Geheimnis kennt: eigentlich ist der Sterbenskranke nämlich niemand anders als T.F. Merrit, der 1931 den sagenumwobenen Horrorfilm „Night of the Ghoul“ drehte, der 1946 in einem großen Studiofeuer verbrannte und seither als verschollen gilt.

In den Studioarchiven fielen Innman Fragmente der Streifens in die Hände, die er mit seinem Sohn begutachtet und nun mit Hilfe des Regisseurs ergänzen möchte. Der zeigt sich allerdings wenig begeistert, sondern tischt Innman eine wilde Geschichte auf: er werde seit 60 Jahren gegen seinen Willen im Pflegeheim festgehalten und absichtlich misshandelt. Sein Film, der im ersten Weltkrieg beginnt und dort die Geschicke eines US-Bataillons nachzeichnet, das in einem italienischen Dorf einen grausigen Fund macht, berichte nichts als die Wahrheit: unerkannt hausen fürchterliche Wesen namens Ghouls unter uns, die sich in Menschen einnisten und mit Vorliebe Tote fressen. Ein solches Wesen hat laut Merrits Film vom Soldat Kurt Powell Besitz ergriffen und gelangte so in die USA, wo die ehemaligen Weggefährten auf Drängen von Kurts Sohn Alex, der eine seltsame Veränderung feststellt, versuchen, das Monster aus Kurt zu vertreiben.

Dies gelingt mit Hilfe der Wissenschaftlerin Professor Holloway tatsächlich, aber man scheitert letztendlich am Orden der Fliegen, einer Menschenschar, die den Ghoulen dienen. Nachdem Forest und Orson dem leitenden Arzt Dr. Skeen etwas zu sehr umherschnüffeln, werden sie erst mal hinausgeworfen, aber Forest schleicht sich zurück und erlebt mit, wie Skeen und seine Anhänger den Greis weiter misshandeln und bedrängen, die Sache mit dem Ghoul endlich zu beenden. Orson büchst seinerseits aus und entdeckt im Wald den Eingang zu einer grausigen Unterwelt, in der der Kult um den Ghoul ebenfalls lebt. Dennoch gelingt es Innman, Merrit zu befreien, die letzte Filmrolle an sich zu bringen und im Kino des alten Studios endlich zu erfahren, wie die Geschichte endet – wobei eine ebenso schockierende wie unerwartete Wendung eintritt…

Horror-Veteran Scott Snyder („We Have Demons”, „Wytches”) zieht hier alle Register eines Meta-Ebenen-Grauens, das einen eher sekundären Charakter der gängigen Gruselliteratur (der schlurfende, leichenfressende Ghoul ist neben Werwolf, Vampir und Zombie fester Bestanteil jeder Groschenromanhorrorarie, wie übrigens auch in Michael Jacksons klassischem Thriller-Video oder aktuell in der TV-Adaption von Fallout) in den Mittelpunkt rückt und mit dem genialen Story-Kniff des eigentlich die Realität zeigenden Kinowerks vermengt. Neben kulturhistorischen Abrissen (der Ghoul ist Ursprung aller Krankheiten sowie aller Monster, die die menschliche Phantasie plagen) und verschwörungstheoretischen Abfahrten (neben dem schändlichen Orden der Fliege kämpft auf der anderen Seite der Orden des Skarabäus für das Gute) und dem handfesten Horror, der auch vor drastischen Szenen nicht zurückschreckt, finden sich wunderbare Hommagen an klassische Momente des Horror-Kinos.

So etwa tritt bei der Premiere des Films der Produzent vor den Vorhang und spricht eine wohlmeinend-PR-wirksame Warnung aus, so wie das Carl Laemmle jr. vor James Whales „Frankenstein“ 1931 ebenso tat. Das Unwesen, das der vom Ghoul besessene Kurt in den USA treibt, wird in einer Szene symbolisiert, die direkt an die legendäre Sequenz des über die krummen Dächer huschenden Césare aus Robert Wienes „Das Kabinett des Dr. Caligari“ angelehnt ist. Neben jeder Menge X-Files-Vibes erscheint auch der Film im Comic doppelbödig, mit Zelluloid-Rändern an den entsprechenden Panels, die die Erzählebenen geschickt vermischen. Optisch von Francesco Francavilla gebühren gräulich inszeniert, liefert diese (fürs Erste) abgeschlossene Geschichte (Das Ende? Wirklich?) handfestes Futter für Gruselfreunde. Und ja, der Titel ist eine kleine Referenz auf Ed Wood, dem eine solche Wirkung seiner Machwerke sicherlich gefallen hätten. Die Originalserie von 2022 erscheint bei Splitter gesammelt hochwertig in Hardcover mit einer schauerlichen Cover-Galerie. (hb)

Night of the Ghoul
Text & Story: Scott Snyder
Bilder: Francesco Francavilla
176 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
28 Euro

ISBN: 978-3-98721-235-2

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