Adventureman, Band 2 (Splitter)

Mai 3, 2023
Adventureman, Band 2: Ein Märchen in New York (Splitter Verlag)

Adventuremom. Solche und ähnliche Scherze darf sich die gute Claire Connell anhören, seit sie dank Super-Serum aus dem Hause Adventum mit Superkräften ausgestattet in die Fußstapfen des offenbar gar nicht so fiktiven Pulp-Helden getreten ist. Das tut auch Not, immerhin greift immer wieder Kroppzeug wie z.B. Baroness Bizarre an, die Claire als Adventure-Person mit ihrem Team, bestehend unter anderem aus den Turteltäubchen Phantom Phaedra und Gentleman Jim, nach allen Regeln der Kunst Mores lehrt. Gleichzeitig nimmt ein New Yorker Kutschfahrer namens Reggie nur ungern den Mantel seines Großvaters auf, eines der letzten schwarzen Cowboys von Brooklyn, der unter dem klingenden Namen Crossdraw Kid in der goldenen Pulp-Ära mit Adventureman gemeinsame Sache machte.

Der gute Opa bewacht nämlich einen gewissen Caspar Spettero, der im Altenheim vor sich hindämmert, was Opa Crossdraw allerdings nicht geheuer ist: immerhin beginnen sich alle Insassen mehr und mehr an ihre Vergangenheit zu erinnern, und die ist bei Herrn Spettero wohl eher zwielichtig. Claire erholt sich unterdessen von ihrem letzten Abenteuer und stellt betrübt fest, dass sich der Vorrat an Super-Serum dem Ende nähert, was ihre Tante Ursula nur umso mehr anspornt, einen Ersatz aus den letzten verbliebenen Mustern nachzubasteln.

Viel Zeit bleibt zur weiteren Forschung aber nicht: in der U-Bahn attackieren plötzlich geisterhafte Wesen entsetzte Passanten, und als Claire der Sache auf den Grund gehen will, entdeckt sie nicht nur eine verlassene U-Bahn-Station direkt unter der City Hall, sondern eine ganze Gang aus Geistern, die offenbar den seligen 30ern entsprungen sind und immer vehementer ins Reich der Lebenden übergreifen. Diese Spukbande verfolgt Claire bis nach Hause, wo der neue Crossdraw Kid auf den Plan tritt und beherzt eingreift, bevor er dann die ganze Story enthüllt: in der Prohibitionszeit betrieb der Mafioso Spettero diverse Speakeasies, bevor ihm der damalige Crossdraw Kid mit seinem Sidekick Slugger das Handwerk legte. Aber Spettero gibt wortwörtlich keine Ruhe: die von ihm reaktivierte Geistergang entführt den Greis aus dem Altenheim und macht sich daran, ihn in geisterhafter Gestalt zu reanimieren…

„High Pulp“ – so bezeichnet Autor Matt Fraction selbst die Parallelwelt, in die er seine Protagonistin Claire immer wieder schickt, optisch auch durch differenzierte Schriftbilder abgehoben. Die ganz unverhohlen bei Doc Savage abgekupferte Mannschaft des Abenteuermanns ergänzt Fraction hier um eine weitere Ikone: die lange Reihe der Crossdraw Kids stehen natürlich in der Tradition des Lone Rangers, Zorros und auch des „wandelnden Geists“ Phantom. Inhaltlich geht es Fraction eigenen Worten zufolge dieses Mal um das Loslassen Können: Vater Connell sieht sich nicht in der Lage, trotz eines guten Angebots den Buchladen seiner verstorbenen Frau zu verkaufen, weil er sie damit endgültig verlieren würde. Loslassen muss aber auch Claire ihr altes Leben, wobei ihre heroischen Eigenschaften dank des zu Ende gehenden Superserums (hier lassen nicht nur die Boys, sondern mehr oder weniger alle Silver Age-Helden grüßen) am sprichwörtlichen seidenen Faden hängen.

Eingebettet ist das Geschehen in das durchgängige Motiv des Märchens bzw. der Spukgeschichten des 19. Jahrhunderts, die Fraction ganz bewusst zitiert: Claires Sohn spielt in einer Inszenierung der „Christmas Carol“ von Charles Dickens mit, die Spukgestalten werden als „ghosts of Christmas past“ eingeführt, und der alte Lumpensohn Spettero ist trotz aller Machenschaften gefesselt von der „Kette, die er während seines Lebens geschmiedet hat“, so wie das Marley, der verblichene Kompagnon des alten Scrooge, in der Dickens-Erzählung als Geist leidvoll über sich selbst sagt. Mit jeder Menge Spaß in den Backen – Claire macht keinen Hehl daraus, wie cool sie ihre Kräfte findet, bei der Vorstellung von Crossdraw Kid kommt es aufgrund ihrer Schwerhörigkeit zu lustigen Verdrehungen („Wie heißt Du? Criss Cross?“ – „Are making jump?“, so kommen musikalische Furchtbarkeiten der 80er zu Ehren), und das ganze Geister-Setup atmet einen wohligen Grusel/Trash-Atem – und viel Tempo eilt das Geschehen dahin, inszeniert von Terry Dodson mit dem sicheren Händchen für die passend-pulpige Atmosphäre.

Der vorliegende Band enthält die Originalhefte 5-9 der Reihe, die im Original bei Image Comics erscheint, ergänzt durch einen mehr als reichhaltigen Anhang, in dem Fraction und Dodson ihre Ideen und Arbeitsweise erklären. Viel Futter damit für alle Genre-Freunde, die mit den Helden der Groschenromane genauso etwas anfangen können wie mit literarischen Anspielungen. Aber, Meister Fraction, dass das „Märchen von New York“ natürlich eigentlich von den Pogues und ihrem unsterblichen Weihnachtslied besetzt ist – das ist Dir doch ohne jeden Zweifel klar. Du Schlingel. (hb)

Adventureman, Band 2: Ein Märchen in New York
Text & Story: Matt Fraction
Zeichnungen: Terry Dodson
168 Seiten, Hardcover
Splitter Verlag
25 Euro

ISBN: 978-3-96792-110-6

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