Nur noch Stille (All Verlag)

Oktober 24, 2022
Nur noch Stille (All Verlag)

Kleinstadtidylle sieht eigentlich anders aus: 1939 beginnt im verschlafenen Nest Augusta Falls eine Mordserie, die an Grausamkeit ihres Gleichen sucht. Kleine Mädchen werden entführt, missbraucht und regelrecht zerstückelt. Der Schüler Joseph Vaughan, der nach dem Tod seines Vaters alleine mit seiner Mutter lebt, beobachtet den Schrecken mit zunehmendem Entsetzen, zumal er die Opfer teilweise persönlich kennt. Ermutigt von seiner Lehrerein Miss Webber, versucht er die Erlebnisse zu verarbeiten, indem er sie als Erzählung niederschreibt, was im Schreibwettbewerb zwar gewürdigt, aber als nicht altersgerecht abgelehnt wird. Als die Mordserie nicht abreißt, fällt der Verdacht auf den deutschen Einwanderer Günther Krüger, der aus Nazi-Deutschland geflohen ist – aufrechten Amerikanern ist solche Barbarei ja wohl nicht zuzutrauen. Sheriff Haynes nimmt Krüger in Schutz, aber Joseph macht seine ganz eigenen Erfahrungen, als er seine Mutter dabei erwischt, eine Affaire mit dem Nachbarn zu unterhalten.

Als 1943 schließlich ein jüdisches Mädchen dem Killer zum Opfer fällt, eskaliert die Situation: Unbekannte legen Feuer im Haus der Krügers, die ihre Tochter nicht vor den Flammen retten können. Josephs Mutter, die mit dem Anschlag in Verbindung zu stehen scheint, zieht sich in Folge zunehmend in sich selbst zurück, bis der Sohn nur noch die Psychiatrie als Ausweg sieht, wo sich die Dame vollends in geistige Umnachtung verfällt. Während sich zarte Bande zwischen dem erwachsenen Joseph und seiner früheren Lehrerin Alex Webber entwickeln, reißt die Mordserie nicht ab: 1945 kommt es zu einem weiteren Verbrechen, das wieder Sheriff Haynes untersucht, der Joseph mahnt, dass er auch selbst zum Kreise der Verdächtigen gehört. 1946 schließlich schlägt das Schicksal grausam zu, als Joseph seine schwangere Frau tot vorfindet. Das ihm entgegenschlagende wachsende Misstrauen verwindet er nur schwierig, bricht die Zelte zu Hause endgültig ab und geht nach New York, wo er als Schriftsteller einen neuen Anfang wagt.

Das gestaltet sich anfänglich vielversprechend, als er mit Bridget McCormack sogar eine neue Liebe kennenlernt – aber die Fänge des Mörders scheinen sogar bis nach New York zu reichen: auch Bridget wird 1952 grausam getötet, und dieses Mal fällt der Verdacht so eindeutig auf Joseph, dass er zu langen Jahren Zwangsarbeit verurteilt wird, während der wahre Täter immer noch auf freiem Fuß ist…

Stephen King meets Film Noir: so könnte man den Crime Thriller umreißen, den der Brite R. J. Ellory unter dem Titel „A Quiet Belief in Angels“ 2007 veröffentlichte. Der Horror des heraufziehenden Krieges findet seine Entsprechung in den namenlosen Bösen, das Augusta Falls erschüttert. Joseph findet sich mit Gleichaltrigen zusammen, die als „Guardians“ schwören, die Kinder des Ortes, die er im Geiste Engel nennt, zu beschützen, was sich als hehres Ziel, das natürlich nicht einzuhalten ist, herausstellt – wenn das schon an den Club der Verlierer aus Stephen Kings „It“ erinnert, dann auch die wiederholte Bezeichnung des Grauens als anonymes „Es“. Das Motiv des zu Unrecht im Gefängnis landenden Erzählers, dem gegen Ende doch noch eine durchaus überraschende Auflösung gelingt, erinnert an gängige Erzählmuster der Schwarzen Serie, während der Blickwinkel des Schriftstellers auf eine grausige Mordserie durchaus als Reminiszenz an Truman Capotes „In Cold Blood“ gelten darf.

In ihrer graphischen Adaption, die im Original unter dem Titel „Seule le silence“ erschien, zeichnen Szenarist Fabrice Colin und Zeichner Richard Guérineau die zentralen Elemente des Romans kongenial nach und erwecken dabei vor allem in den zentralen Wendepunkten (Brandanschlag auf das Haus der Krügers, Kriegseintritt der USA, letzte Geständnisse der Mutter auf dem Totenbett) regelrecht alptraumhafte Momente, die durch expressive Gestaltung und durchgängig bedrückende Farbgebung beeindrucken. Somit ein pechschwarzes Drama, in dem man vergeblich nach Erlösung sucht – die es bei Herrn King auch ja auch des Öfteren nicht gibt. Alternativ zum regulären Band bietet der Verlag auch eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe an, die mit Schutzumschlag und einem signierten Exlibris ausgestattet ist. (hb)

Nur noch Stille
Text: Fabrice Colin, nach R. J. Ellory
Bilder: Richard Guérineau
108 Seiten in Farbe, Hardcover
All Verlag
19,80 Euro

ISBN: 978-3-96804-134-6

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