Jerry Spring, Band 1 (All Verlag)

Dezember 2, 2021

Eine schicksalhafte Begegnung: des Nachts trifft unser Westerner Jerry Spring erstmals auf den Mexikaner, den man „El Panchito“ oder kurz Pancho nennt und der fortan sein ständiger Begleiter sein wird. Pancho ist auf der Hut. Denn hier im Grenzgebiet treibt eine mexikanische Räuberbande ihr Unwesen, stiehlt Vieh und Pferde, wobei ihr niemand bisher auf die Schliche kam. Daher stehen alle Mexikaner, die auf amerikanischem Boden leben, unter Generalverdacht. Jerry will das ändern, lässt sich von Sheriff Pat McCoy als Hilfssheriff anheuern und beginnt mit Nachforschungen, zuerst jenseits der Grenze. Die beinahe tödlich enden, denn Jerry wird bei einem Attentat schwer verletzt. Nach seiner Genesung erfährt er von Pancho, dass weder gestohlenes Vieh noch Pferde die Grenze passieren. Die Übeltäter müssen also auf US-Gebiet zu suchen sein. Schon bald fasst Jerry einen Verdacht und überführt tatsächlich den Kopf der Bande. Womit sein erstes Abenteuer aber noch lange nicht beendet ist…

Jijé, alias Joseph Gillian (Jahrgang 1914), startete seine realistische Westernserie 1954 im Spirou-Magazin. Da war er in der Branche bereits ein alter Hase. Seine Verdienste um den belgischen Comic kann man nicht hoch genug beziffern. Bereits vor dem Krieg schuf er den Funny Blondin und Cirage, gefolgt von der Abenteuer-Serie Valhardi. Später übernahm er Spirou von Rob-Vel und erdachte die Figur des Fantasio. Seinem Nachfolger, André Franquin, war er stets ein Mentor, ebenso – wieder später – dem jungen Jean Giraud, der ihn bei einigen Jerry Spring Alben assistierte. Gegen Ende seiner Karriere widmete sich Jijé noch den beiden Klassikern Tanguy und Laverdure und dem Roten Korsaren. In Deutschland hat sein Jerry Spring bereits eine beachtliche Veröffentlichungs-Historie vorzuweisen. Im Heftformat erschienen ab 1972 bei Bastei diverse Geschichten und nach einem kurzen Stopp bei Condor (nur zwei Ausgaben) landete die Reihe bei Carlsen, wo immerhin zehn Alben veröffentlicht wurden. Eine erste Gesamtausgabe mit fünf Bänden erschien dann vor zehn Jahren in der Egmont Comic Collection. Überraschenderweise in Schwarz-Weiß.

Jetzt nimmt sich der All Verlag der Serie an. Erstmals sind alle 22 Bände geplant, also auch das von Franz gezeichnete letzte Album. Alle Bände erscheinen in Farbe – Jerry trägt also wieder sein charakteristisches gelbes Hemd – wobei die Entstehung der Kolorierung hier unbedingt erwähnt werden muss. Denn anders als in der aktuellen Blueberry-Gesamtausgabe, wo man die Farben so beließ, wie sie in der Erstveröffentlichung seinerzeit zum Abdruck kamen, nahm man hier bei der Jerry Spring Neuausgabe Scans der verfügbaren alten Vorlagen, „verheiratete“ sie mit dem tadellosen Schwarz-Weiß der Egmont Version und dämpfte anschließend – übrigens in Absprache mit Jijés Sohn Philippe Gillain – die Farben auf ein homogenes, stimmiges Level wieder herab. So kann der All Verlag nun – man höre und staune – die zurzeit weltweit einzige Farbausgabe der klassischen Westernserie präsentieren.

Durch seine ausgedehnten Aufenthalte in den USA und in Mexiko wusste Jijé aus erster Hand, was er wie zeichnete. So sehen wir hier die kargen und gleichzeitig schroffen Fels-Landschaften, die Giraud dann später in seinem Blueberry stilistisch zur optischen Vollendung brachte. Die Story der Jerry Spring Premiere (anfangs namenlos, später als „Golden Creek“ betitelt und im franz. Original noch mit „Das Geheimnis der verlassenen Mine“ ergänzt) ist zweigeteilt. Schon bald ahnt man die Identität des Oberschurken, die dann auch listig enthüllt wird. Danach geht es in der Wüste weiter, wo sich Jerry als wahrer Held, als Ehrenmann erweist, trotzdem er erfährt, welches Schicksal seinem Vater, der Richter war und ums Leben kam, wirklich wiederfuhr. Bemerkenswert: wie in den Karl May-Filmen spricht man sich hier mit dem führnehmen Pluralis Majestatis an, wobei Pancho Jerry zu dessen Leidwesen stets mit Senor betitelt, was im Laufe der Handlung zu einem Running Gag wird.

Wie es sich für eine Gesamtausgabe gehört, ist auch hier der Story einiges an Sekundärmaterial vorangestellt, das sich auf das Frühwerk Jijés (auch hier bereits mit Berührungspunkten zum Western-Genre) und den USA/Mexiko Aufenthalt konzentriert. Wobei der Bonuscomic „Lieben und Lernen“, den Jijé 1950 für die DC Reihe „Romance Trail“ schrieb und mit Western-Elementen (inkl. einem Jerry Spring „Prototyp“) zeichnete, eine originelle Kuriosität darstellt. Der Band ist auch (noch) in einer nur auf 111 Stück limitierten Vorzugsausgabe zu haben, mit Schutzumschlag und einem nummerierten Exlibris. Band 2 („Yucca Ranch“) erscheint zeitgleich – dazu in Kürze mehr. (bw)

Jerry Spring, Band 1: Golden Creek
Text & Bilder: Jijé
64 Seiten in Farbe, Hardcover
All Verlag
15,80 Euro

ISBN: 978-3-96804-068-4

Tags: , , , , , ,

Comments are closed.