Der Kurier, Band 1 (Splitter)

Juli 22, 2021

Postapokalyptische Welt, die nächste: in nicht allzu ferner Zukunft ist die Zivilisation zusammengebrochen. Grund ist keine Zombieplage, kein Atomkrieg und – ganz aktuell – kein Virus, sondern ein Bakterium. Dieses, schlicht „Rost“ genannte Kroppzeug befällt Eisen und Stahl und zersetzt diese elementaren Baustoffe zu brüchigem Pappkarton. Klingt erst einmal nicht so dramatisch, ist es aber: die Infrastruktur zerfällt, Städte kollabieren, die Nahrungsmittelversorgung versagt. Erwartungsgemäß setzt sich das Recht des Stärken durch, man plündert, wo es geht, die Menschheit zieht sich aus den verwüsteten Städten aufs Land zurück, wo zumindest ein kärgliches Auskommen möglich scheint. Aber der „Rost“ greift nicht nur Baustoffe an: auch das Eisen im Blut der Menschen zersetzt sich und führt zu massiven Mutationen. In dieser Welt bietet der „Kurier“ jedem seine Dienste an, der es sich leisten kann: zuverlässige Lieferung aller Sendungen gegen Entlohnung und Schlucken eines mysteriösen „Eies“, das offenbar dazu dient, die jeweilige Mutation des Auftraggebers auf den Kurier zu übertragen.

Bei einem seiner Aufträge wird der „Kurier“ dabei übers Ohr gehauen, was den Auftraggebern allerdings gar nicht gut bekommt, dessen Mutation (eine Art Brandenergie) der Lieferant übernimmt, dem dabei überraschend eine schmucke Dame zu Hilfe kommt. Die Holde namens Ana bittet den Kurier, ihrem Dorf beizustehen, aus dem seit einiger Zeit sämtliche Männer verschwunden sind. Vor Ort wird das Dorf alsbald von der Kirche der Erneuerung heimgesucht, einer Sekte, die auf der Suche nach „reinen“ Eltern die Lande durchzieht, um somit eine nicht mutierte Menschheit heranzuzüchten. Als Tauschgeschäft gegen die verschwundenen Männer bietet der Kurier seinen Dienst als Geleitschutz durch den Wald an, während Ana den Tross zu einer alten Kupfermine führt, wo die Männer wohl zuletzt gesehen wurden. Nachdem die Mine einen unermesslichen Schatz darstellt, wollen sich die sauberen Geistlichen die Beute unter den Nagel reißen, aber ein plötzlicher Angriff des mutierten Viehzeugs namens Funga macht den feinen Herren den Garaus. Als der Kurier einem starken Duft von Pheromonen in die alte Kupfermine folgt, macht er dort eine grauenhafte Entdeckung, die die Wahrheit hinter dem Verschwinden der Dorfbewohner enthüllt…

Ein Lieferant in einer verwüsteten Welt, das hat uns Kevin Costner in seinem Postman schon vorgeführt, aber auch aus den sattsam bekannten Endzeit-Opern wie Mad Max oder dem Planet der Affen mit den verfallenden Erinnerungen an die untergegangene Welt bedient sich Tristan Roulot (u.a. „Arale“) hier weidlich und mengt noch Virus- und Bakterienverseuchung à la „Andromeda Strain“ und „Twelve Monkeys“ dazu. Die Verbindung aus allumfassender Mutation und religiös verbrämtem Menschenfang mischt weitere Motive bei, die wir aus John Wyndhams „The Chrysalids“ (Kinder kommen regelmäßig mit Mutationen zur Welt) ebenso kennen wie aus munteren Antiutopien vom Schlage eines Judge Dredd oder Ib Melchiors „The Time Travellers“, in dem Mutanten die jeweils verfluchte Erde heimsuchen. Dazu gesellen sich vor allem gegen Ende handfeste Horror-Elemente in Form der titelgebenden „Larve“, die – spoiler ahead – als erste Tochter Anas ihren Blutdurst gerne einmal an unglücklichen Liebhabern stillt. Originell ist das Ganze allerdings dennoch allemal, nicht zuletzt durch die Übernahme der jeweiligen Mutation durch den Kurier, der seine neuen (Super)Kräfte regelmäßig wirkungsvoll einsetzt. Dimitri Armand (u.a. „Sykes“, „Texas Jack“) inszeniert das Geschehen angemessen düster, in Sepia-Tönen und durchaus graphischen Gewalt-Elementen. Diese Zukunft ist durchaus unangenehm – weshalb wir umso gespannter sind, wie es in Band 2 weitergeht, der unter dem Titel „Die Stadt der tausend Pfeile“ für April 2022 angekündigt ist. (hb)

Der Kurier, Band 1: Larve
Text: Tristan Roulot
Bilder: Dimitri Armand
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
16 Euro

ISBN: 978-3-96792-037-6

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