Snow, Glass, Apples (Splitter)

Juli 20, 2021
Snow, Glass, Apples (Splitter Verlag)

Eines Tages begegnet ein attraktiver König einer jungen Dame und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Bald werden beide Mann und Frau, fortan lebt sie in eigenen Gemächern im Palast. Der König hat eine Tochter aus erster Ehe, die Prinzessin, deren Mutter bei der Geburt starb. Anfangs hält sich die Prinzessin – noch ein Kind – zurück, später lässt eine Begegnung mit ihr die neue Königs-Gattin erschaudern. Dann stirbt der König, nachdem er unerklärlicherweise immer schwächer wurde und plötzlich zahlreiche Narben am Körper aufwies. Seine neue erst 18-jährige Frau wird Königin und versucht sogleich, sich der vermeintlich gefährlichen Prinzessin zu entledigen: Man schneidet ihr das Herz heraus und lässt ihren Körper im Wald zurück. In den Folgejahren ist der für das Königreich lebenswichtige Markt immer weniger besucht. Das Waldvolk und fremde Händler bleiben weg. Ein magischer Spiegel offenbart der Königin den Grund: Die „herzlose“, inzwischen erwachsene Prinzessin ist noch am Leben und treibt im Wald ihr Unwesen. Weshalb die Königin zu einer gewagten List greift, um die Prinzessin nun endgültig aus dem Weg zu räumen…

In dem Einzelband, der im Original 2019 bei Dark Horse erschienen ist, variiert Autor Neil Gaiman mit „Schneewittchen“ eines der berühmtesten Märchen der Gebrüder Grimm, indem er einige gravierende Änderungen gegenüber der sattsam bekannten Vorlage vornimmt. In erster Linie lässt er mit Vampirismus ein starkes Horror-Motiv einfließen, erhöht damit den Gruselfaktor und macht die Geschichte so „erwachsener“. Dazu kommt: Die Handlung wird komplett aus der Perspektive der Königin in Ich-Form erzählt. Dabei findet hier zusätzlich ein kleiner Rollentausch statt: Die Königin ist nicht vordergründig böse, sich jedoch ihrer Macht bewusst und auf deren Erhalt bedacht, hat aber eine zumindest zwielichtige Vergangenheit als Wahrsagerin auf dem Markt, was ihr später zu Gute kommen wird (und die Begegnung mit dem König war auch kein „Zufall“). Und die Prinzessin – auch sie namenlos –, mit fahler Haut und pechschwarzem Haar, ist mitnichten das unschuldige Wesen, sondern das vermeintliche Monster, das es loszuwerden gilt. Die Zwerge spielen nunmehr eine kleine Nebenrolle. Anders als der Apfel, der auch in der Gaiman-Variante ein zentrales Motiv einnimmt.

Zeichnerin Colleen Doran setzt die Geschichte mehr als eindrucksvoll in Szene. Regelrechte Seitenkompositionen ersetzen bis auf wenige Ausnahmen die traditionelle Panel-Anordnung. Vielmehr fließen die einzelnen Abbildungen auf den Seiten ineinander über, transportieren die Story so verspielt weiter und bilden damit Seite für Seite regelrechte Kunstwerke, mit etlichen fein gezeichneten Ornamenten und Mustern verziert, was in dieser Form an den Jugendstil erinnert, wie auch an Arbeiten von P. Craig Russell oder Olivier Ledroit („Wika“). Tatsächlich orientierte sich Doran an den Werken des irischen Illustrators Harry Clarke, der u.a. Geschichten von Edgar Allan Poe und Märchen von Hans Christian Andersen illustrierte und der 1931 starb). Der Band kommt in weiten Teilen ohne Sprechblasen aus, der Fließtext, der die Gedanken und Aussagen der der Königin wiedergibt, dominiert das Geschehen. Anhand diverser Skizzen und Entwürfe erläutert Colleen Doran am Ende des Bandes ihre Arbeitsweise. Der Band wurde 2019 mit dem Bram Stoker Award und 2020 mit dem Eisner Award ausgezeichnet. (bw)

Snow, Glass, Apples
Text: Neil Gaiman
Bilder: Colleen Doran
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro

ISBN: 978-3-96792-031-4

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