Deutsche Comicforschung 2021 (Comicplus)

Februar 22, 2021
Deutsche Comicforschung, Band 17: 2021 (Comicplus)

Comics sind nicht wirklich noch immer ein relativ „neues“ Medium. Die Art und Weise des sequenziellen Erzählens gibt es schon seit langer Zeit, auf jeden Fall lange, lange bevor der Begriff „Comics“ sich etablierte und Sprechblasen die Bilder zierten. Ein Beispiel davon präsentiert Eckart Sackmann in seiner aktuellen Auflage der Deutschen Comicforschung für das Jahr 2021: Der sog. Schneiderbalken im Kölner Dom, aus dem 15. Jahrhundert , der elf Szenen der Passion Christi zeigt, die in ihrer Gänze auch als Simultanbild interpretiert werden können (Simultanbild ist ein Bild mit eine sequenziellen Abfolge darin, die man sich beim Betrachten erschließen muss). Schon danach wird es weniger abstrakt und dafür moderner in Sachen Comics. Das Leben und Werk des Tschechen Karel Klíc/Karl Klietsch wird beleuchtet, der 1841 in Nordböhmen geboren wurde und der in verschiedenen Ländern (u.a. Ungarn, Slowenien) auch in Deutsch sprachigen Zeitschriften Comics veröffentlichte.

Nun folgt ein Artikel über Fritz Baumgarten (geb. 1883), der bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts Bilderbücher illustrierte, die zum Teil auch heute noch aufgelegt werden und dabei auch Bildergeschichten und Kurz-Comics in Kinderkalendern schuf. Anschließend wird ein „Bilderroman“ (!) von Adolf Uzarski vorgestellt – eine Geschichte, bestehend aus 48 Bildern, über die Kolonialpolitik europäischer Großmächte, die 1929 in der Mitgliederzeitschrift der sozialdemokratischen Buchgemeinschaft „Der Bücherkreis“ veröffentlicht wurde. Mit Untertexten mit feinster Sütterlin Schrift. Interessant auch der Bericht über die Herr Adabei-Strips von Ladislaus Tuszynski. Herr Adabei (Auch dabei – got it?) war das beliebte Maskottchen der Wiener Kronenzeitung, wobei sich Tuszynski auch einen Namen als österreichischer Trickfilmpionier machte. „Onkel Tapps auf Weltreise“ hieß der Strip von Franz Jüttner, der 1937 und 1938 in der Zeitschrift „Blütenregen“ lief – mit Sprechblasen und Reimen als Untertexte.

Wie wenig über manche frühen Comic-Schaffende bekannt ist, zeigt auch der Artikel über die Veröffentlichungen Jonny Reinischs, von man selbst kaum mehr weiß als sein Name und die Vermutung, das er in Berlin lebte. Reinisch veröffentlichte ausschließlich und größtenteils in den dreißiger Jahren in Automobil-Zeitschriften (schon damals gab es die ADAC Motorwelt). Ein treffendes Beispiel eines Künstlers, von dem lediglich sein Werk blieb – und auch das muss man suchen und recherchieren. „Comics – Anatomie eines Massenmediums“ erschien 1970 von Reinhold Reitberger und Wolfgang J. Fuchs (der u.a. „Prinz Eisenherz“ übersetzte), galt lange als Standard in Sachen Sekundärmaterial zum Medium und wird hier näher beleuchtet. Im vorletzten Artikel wird das umfangreiche Comicwerk (immerhin über 700 Seiten!) des berühmten und früh verstorbenen Karikaturisten Bernd Pfarr („Sondermann“) vorgestellt und abschließend geht es bis in die Gegenwart, wenn ausführlich über den Werdegang und die Geschichte von deutschsprachigen Comiczeichnerinnen berichtet wird.

Die Ausgaben der Deutschen Comicforschung erscheinen seit 2005 – pro Jahr ein Band – und behandeln und erkunden die Geschichte des Mediums im deutschsprachigen Raum, auch des ehemaligen (siehe den Artikel über Karel Klíc/Karl Klietsch). Herausgeber ist Eckart Sackmann, der zu 50 % hinter dem Verlag Comicplus steht, welcher künftig auf Sparflamme weitergeführt wird, u.a. mit eben dieser Reihe (für die Sackmann zuletzt 2017 mit dem PENG!-Preis beim Comicfestival in München ausgezeichnet wurde). Wie bei jeder Ausgabe kann nur über die sorgfältigen Recherchearbeiten und Fundstücke staunen, die hier als Comicschätze gehoben werden, wobei Sackmann und seine Kollegen die Artikel reich bebildert und für Interessierte klar verständlich gestalten. Bei einem kleinen Teil der Auflage dieses aktuell 17. Bandes wurden ab der Seite 98 die Druckbögen vertauscht, weshalb zwei Artikel nicht komplett lesbar sind. Ausgaben mit diesem Fehler können natürlich kostenlos umgetauscht werden. (bw)

Deutsche Comicforschung 2021 (Band 17)
von Eckart Sackmann, Andreas Dierks u.a.
144 Seiten in Farbe, Hardcover
Verlag Sackmann & Hörndl
39 Euro

ISBN: 978-3-89474-318-5

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