Notrufe haben immer was eigenes, vor allem, wenn sie eher übernatürlicher Natur sind: Lady Mechanika wird wieder mal um Mithilfe in einem mysteriösen Fall gebeten. In Spanien scheint der Sohn von Baron de Calvitero von irgendeiner finsteren Macht besessen, weshalb der gute Baron einen zackigen Exorzismus bei Padre Domingo angeordnet hat. Der geht mit Hilfe von kruden Mitteln wie Elektroschocks gehörig schief, und der junge Alejandro bleibt als katatonisches Wrack zurück. Lady Mechanika, die von der Mutter des Jungen engagiert wurde, nimmt gegen den Willen des Barons die Ermittlungen auf und wird an der Universität relativ schnell fündig: Alejandro war anscheinend eher den jungen Herren zugetan, was seinem rotblütigen Vater natürlich gar nicht passte.
Außerdem schien der junge Herr in zweifelhafte Kreise abgerutscht, in die sich die bionische Lady alsbald begibt. In einem spelunkenhaften Nachtclub trifft sie auf Alejandros neue „Freunde“, die sich als nichts anderes als schnöde Vampire herausstellen – denen dann ein furienhafter Racheengel, den die Untoten furchtsam als „La Madrina“ erkennen, rabiat den Garaus macht. Die staunende Mechanika wird in Folge dieser Attacke zur Anführerin der Untoten gerufen, die sich „La Reina Sangre“ nennt und eine erstaunliche Geschichte parat hat: man habe keinesfalls die Absicht, Alejandro zu töten, sondern wolle ihm nur ein Leben mit seinem Gefährten Lucian ermöglichen. Eben der bricht gewaltsam beim Baron ein und versucht die Flucht mit seinem Liebsten, als es erneut zu einer heftigen Attacke der Madrina kommt, die eine Spur des Grauens zurücklässt…
In der mittlerweile durchaus beachtlichen Historie der Lady ging es anfangs eher um ihre finstere Vergangenheit als (vermutlich) vom Waffenfabrikant Blackpool konstruierte Cyborg-Dame, die sich als Monsterjägerin verdingt, über Lara Croft-Settings mit exotischen Schauplätzen und Artefakten bis hin zu Steampunk-getönter Dystopie. Immer setzen sich dabei auch eigenständigere Erzählstränge durch, wie schon in der vorigen, eher elegischen gotischen Schauermär von der „Belle Dame Sans Merci“, die Mechanikas Kompagnon Lewis befällt. In dieser Richtung des klassischen Gruselstoffs fällt auch die neueste Verwicklung, in der eine uralte Rasse von Vampiren gegen eine ebenso allmächtige Jägerin antritt – Buffy und Blade lassen grüßen. Die feine Variante, die M. M. Chen und Joe Benitez einbauen, ist die mexikanische Welt der Sagen und Mythen, die schon im alptraumhaften Abenteuer um die „Dama de la Muerte“ (in der Splitter-Serie erschienen als Band 4) zum Tragen kam: die Vampirjägerin entstammt einem Menschengeschlecht, das von den Blutsaugern zu Zeiten der Conquistadores niedergemäht wurde – und aus deren Reihen die trauernde Mutter Mali als Rache ihre Seele aufgab, um das Viehzeug über die Jahrhunderte verfolgen zu können.
Aber auch die Frage nach sozialer Konvention und reaktionärem Denken durchzieht das Geschehen: der Baron würde seinen Sohn lieber tot sehen als seine ihm absonderlich scheinenden Neigungen einfach zu akzeptieren. Umso wohliger dann die Erkenntnis, dass selbst ein harter Hund wie Calvitero zur Einsicht fähig ist, dass sein Sohn immer sein Sohn bleibt. Wieder ein zackiger, actionreicher Beitrag zur Reihe, der zwar nichts zum übergeordneten Storybogen beiträgt (bis auf die Tatsache, dass die Lady teilweise durchaus ähnliche Symptome wie die Blutsauger aufweist, inklusive rotglühender Augen), aber auf ganzer Linie als Gruselmär überzeugt, die Brian Ching (Supergirl, Conan, Star Wars) dynamisch-virtuos in Szene setzt. Bei Splitter erscheint der Band gewohnt gut eingerichtet mit einem kleinen Interview mit Ching als Anhang. (hb)
Lady Mechanika, Band 7: Sangre
Text: Joe Benitez, M. M. Chen
Bilder: Joe Benitez, Martin Montiel, Brian Ching
144 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-96219-528-1