Raven, Band 1 (Carlsen)

Dezember 8, 2020
Raven, Band 1: Nemesis (Carlsen Verlag)

Ungestüm, unüberlegt, unbeschwert und übermütig: Pirat Raven ist ein rechter Schwerenöter, ein Draufgänger und Raufbold, der zudem sein Image als Unglücksrabe endgültig verpasst bekommt, als er als einziger Überlebender von einer Kaperfahrt nach Tortuga zurückkehrt. Wir schreiben das Jahr 1666. Tortuga, die Insel nördlich des heutigen Haiti, galt zu der Zeit als Piratenhochburg. Ungeachtet der Geringschätzung seiner „Kollegen“ heftet sich Raven an die Fersen der geheimnisvollen, wie auch berüchtigten Piratin Lady Darksee, die von dem Interimsgouverneur Fontenay zu einer brisanten Unterredung geladen wird. Sie soll den Maya Schatz von Chichén Itzá finden, der angeblich einst von schiffbrüchigen Spaniern versteckt wurde. Als Beweis legt Fontenay eine Schatzkarte vor. Darksees Lohn: Die Hälfte des Schatzes und die hochoffizielle königliche Begnadigung. Der erste Haken: Der Schatz liegt auf der Teufelsinsel, die von einem aktiven Vulkan beherrscht und von Kannibalen bewohnt wird. Der zweite Haken: Raven bekommt natürlich Wind von der Sache und beschließt, kräftig mitzumischen…

Mathieu Lauffray kennen wir bisher „nur“ als Zeichner. Mit den Serien „Prophet“ (bei Splitter) und vor allem „Long John Silver“ (bei Carlsen) wurde er auch bei uns bekannt. Mit „Raven“ begibt er sich nach der Erzählung um den einbeinigen Seebären erneut in das Piratengenre und wieder auf Schatzsuche, wobei er zudem erstmals als Szenarist auftritt. Seine Hauptfigur, den Piraten Raven mit unklarer Herkunft, legt er dabei als klassischen Swashbuckler an, als Essenz aus Figuren, wie sie Douglas Fairbanks, Errol Flynn und auch Johnny Depp (logisch: Jack Sparrow) auf der Genre-Leinwand verkörpert haben. Ohne sich groß Gedanken zu machen startet Raven in sein Abenteuer – dass er dabei selbst heikle Situationen (siehe gleich die erste Seite) unbeschadet meistert und wie ein Stehaufmännchen immer weiter macht, scheint dabei von Beginn an selbstverständlich. Der Leser fürchtet nicht um die Hauptfigur, vielmehr genießt gemeinsam mit ihr das große Abenteuer.

Auch sonst zelebriert Lauffray in seinem Serienauftakt das Piraten-Genre in all seinen Facetten, wo es nur geht. Von den klassischen Hollywood Schinken (Lady Darksee als starke Frauenfigur und potenzielles Love Interest wie einst Maureen O’Hara in „Gegen alle Flaggen“) bis zu modernen Filmen (wieder logisch: Fluch der Karibik), über Comic-Klassiker („Der Rote Korsar“) bis zu Videogames (Assassin‘s Creed IV: Black Flag) reiht sich „Raven“ nahtlos in die Piratenwelten ein. Und die Schatzinsel, die natürlich auf keiner Karte verzeichnet ist, erinnert mit ihren Kannibalen und dem bedrohlichen, qualmenden Vulkanberg verdächtig an King Kongs Skull Island. Aber trotz all der Verweise, Ähnlichkeiten und Anleihen präsentiert Lauffray hier keinen Abklatsch. Er langweilt damit auch nie, was auch der Rastlosigkeit Ravens zu verdanken ist, der erst handelt und dann nachdenkt. Er zeigt sich nicht als lupenreiner Held und bleibt damit in allen Situationen sympathisch.

Den Spaß, den Lauffray bei seiner Piraten-Story offenbar hatte und hat, merkt man auch bei den Zeichnungen. Die sind ungestüm, wild und ausdrucksstark. Action-Sequenzen oder beeindruckende Landschaften erstrecken sich gerne über eine Doppelseite als Hintergrund-Panorama, während in Einzelpanels die Handlung weiter erzählt wird. Der Humor kommt auch nicht zu kurz und Lady Darksee bekommt mit ihrer komplett schwarzen Montur ansehnliche Auftritte verpasst. Bei der deutschen Fassung entschied man sich im Verlag gottlob für eine Hardcover-Veröffentlichung, was den Band noch wertiger macht. So wird dem Leser ein großes, klassisches Abenteuer-Vergnügen beschert. Bis es weiter geht, wird es leider noch dauern. Denn auch bei Dargaud in Frankreich ist bisher nur dieser erste Band erschienen. (bw)

Raven, Band 1: Nemesis
Text & Bilder: Mathieu Lauffray
56 Seiten, Hardcover
Carlsen Verlag
16 Euro

ISBN: 978-3-551-02645-3

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