Tramp, Band 5 (Comicplus)

Dezember 6, 2017

Kapitän Yann Calec hat es von der See aufs Land verschlagen, genauer gesagt nach Indochina. Dort herrscht in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts Krieg. Die kommunistischen Viet Minh kämpfen gegen die französische Kolonialmacht um die Unabhängigkeit. In diesen Wirren arbeitet Calec nicht nur die Vergangenheit seines Vaters auf, er sucht – was direkt damit in Verbindung steht – nach dem Gold, das ein reicher Chinese einst mitten im Dschungel versteckt hat… Mit dieser Geschichte („Das Gold des Chinesen“, Band 9) endet der dritte Zyklus der Serie, der drei Alben umfasst. Danach entstanden noch zwei Einzelalben, die Zeichner Patrick Jusseaume aus gesundheitlichen Gründen beide nicht beenden konnte. Von Band 11 zeichnete er die ersten 30 Seiten, danach übernahm Autor Jean-Charles Kraehn auch den Zeichenstift. Jusseaume starb am 25. September diesen Jahres nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren.

Auch im ersten dieser Alben (Band 10: „Schlechte Vorzeichen“) bleibt Kapitän Calec vorerst an Land. Was seinen Grund hat. Denn von dem Gold aus Indochina kauft er einen Frachter und ist gerade dabei, eine Mannschaft anzuheuern. Und umgeht dabei die Regeln und Gepflogenheiten der Gewerkschaft. Unabhängige Kapitäne sind unerwünscht, noch dazu fährt er unter der Flagge Liberias. Als auch noch eine Leiche auf seinem neuen Schiff, der „Pierrick“, gefunden wird, scheint ihm die Situation komplett zu entgleiten… Wieder ein Sprung, wieder eine abgeschlossene Geschichte, die jedoch auch als chronologische Fortsetzung gilt: In „Sturmwarnung“ (Band 11) sehen wir Calec auf hoher See auf seiner „Pierrick“, die eine Ladung von Kapstadt nach Djibouti (damals noch Französisch Somalia) bringt. Seine Frau Rosanna und seine kleine Tochter Ines sind mit an Bord. Durch Zufall entdeckt man Schmuggelware unter der Fracht: Waffen – Empfänger unbekannt. Calec und seine Mannschaft vergraben die Waffen, um sich damit später ein Zubrot verdienen zu können. Ein fataler Fehler: denn kaum in Djibouti angekommen, wird Calecs Tochter entführt…

Zeichnung Jusseaumes beim Comicsalon in Erlangen 2010

Die ersten drei Bände von „Tramp“ erschienen weiland bei Carlsen, dann wechselte die Reihe für eine Ausgabe zum kurzlebigen Phoenix Verlag (hier im HC-Format), ehe Comicplus übernahm, wo sechs Alben erschienen (Band 5-10) und anschließend die Gesamtausgabe lanciert wurde. Der letzte und nun abschließende Teil, der in Frankreich erst wenige Wochen vor Patrick Jusseaumes Tod veröffentlicht wurde, ist auf Deutsch erstmals und nur in diesem Band der Gesamtausgabe enthalten. Die Serie zeichnet sich nicht nur durch das ungewöhnliche Setting aus (die Geschichte eines Handelskapitäns in den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren), auch die Hauptfigur spiegelt nicht den typischen Heldentypus wider, den man vielleicht erwarten mag. Der Bretone Yann Calec ist kein strahlender Draufgänger, der furcht- und sogar gewissenlos seinen Weg geht. Oft wirkt er stoisch und melancholisch, unterbrochen von Gemütsausbrüchen der einen oder anderen Art. Ein wenig Corto Maltese könnte man in ihm sehen. Dann handelt er mehrmals gegen seine Überzeugung. Er lässt die Folter in Indochina durchgehen, widersetzt sich der Gewerkschaft. Nur als er Sklaven aufnehmen soll (die gab es im arabischen Raum damals tatsächlich noch) wiedersetzt er sich und trotzt der Vernunft – schließlich steht das Leben seiner Tochter auf dem Spiel.

Die Geschichten in diesem wohl letzten Gesamtausgaben-Band der Serie sind dabei höchst verschieden und damit abwechslungsreich, auch vor ihrem Hintergrund. Der Indochinakrieg wütet (wobei keine Kampfhandlungen gezeigt werden) und macht die Lage dort für die Goldsucher unübersichtlich. Dann in der Heimat, in Rouen, findet sich Calec in einem Psycho-Thriller wieder und wird obendrein mit der Lage der Gewerkschaftler konfrontiert, die die Ausbeutung der Seeleute verhindern wollen. Und schließlich, als seine Tochter entführt ist, wird es persönlich und Calec sieht sich gezwungen, mit einem ortansässigen Scheich, der zweifelhafte Geschäfte macht, zusammenzuarbeiten. Die erklärenden Texte dazu werden in der Vergangenheit erzählt, schaffen damit einerseits eine Distanz zum Geschehen, andererseits beschreiben oder kommentieren den Gemütszustand des Protagonisten. Jusseaumes Zeichnungen sind nicht gänzlich realistisch, aber mit viel zeitgenössischem Flair und Liebe zum Detail (aufmerksame Leser können sogar den Lieblings-Whisky von Kapitän Haddock entdecken). Im letzten Band entwickelt sich sein klarer Stil noch einmal und wird v.a. bei der Darstellung von Personen kantiger, stilisierter und feiner. Wobei die wunderbar abgestufte Farbgebung an die Arbeiten eines Juillard oder Prado erinnert.

Im Kontrast dazu wird der Bruch im Zeichenstil sehr deutlich, als Kraehn in der letzten Geschichte auch die Zeichnungen übernimmt und das Album optisch konventioneller und (auch hinsichtlich der Farben) einfacher zu Ende führt. Auch bei den Sekundär-Artikeln kann der Band punkten, sei es mit bebilderten Hintergrund-Infos zum Indochinakrieg oder zur damaligen politischen Lage rund ums Rote Meer im abschließenden Album, das Motive des hierzulande unbekannten Schriftstellers und Abenteurers Henry de Monfreid aufgreift (die Cover seiner Romane wurden von Hugo Pratt gestaltet, womit noch eine Verbindung zu Corto hergestellt wird und sich ein kleiner Kreis schließt). Damit könnte die Serie beendet sein. Ob Jean-Charles Kraehn mit einem neuen Zeichner weiter macht, wissen wir nicht. Wenn, dann muss sich dieser an den Zeichenkünsten Patrick Jusseaumes messen lassen, was nicht einfach sein wird. (bw)

Tramp Gesamtausgabe, Band 5
Text: Jean-Charles Kraehn
Bilder: Patrick Jusseaume, Jean-Charles Kraehn
184 Seiten in Farbe, Hardcover
Verlag Sackmann und Hörndl
39 Euro

ISBN: 978-3-89474-289-8

Tags: , , , , ,

Comments are closed.