Reaktor 1F, Band 3 (Carlsen)

Mai 17, 2017

Dezember 2012: Kazuto Tatsutas Job auf dem Gelände des havarierten Atomkraftwerks Fukushima Daiichi ist (vorerst) beendet. Nun reift in ihm die Idee einer Manga-Adaption seiner Arbeit. Zurück in seiner Heimatstadt Tokyo verfasst und skizziert er ein erstes Manuskript und bewirbt sich bei verschiedenen Verlagen. Bald wird der erste Teil seiner Geschichte veröffentlicht. Unter Pseudonym, denn Kazuto Tatsuta ist nicht sein richtiger Name. Auch für Fotos und PR-Termine verbirgt er – zumindest anfangs – sein Gesicht oder lässt sich nicht fotografieren. Denn schließlich möchte er gerne wieder zurück nach Fukushima und nicht als Nestbeschmutzer gelten. Und tatsächlich bekommt er dort einen neuen Arbeitsauftrag und steht im Juli 2014 – der erste Band seines Mangas ist gerade mal seit April erhältlich und mausert sich zum Erfolg – wieder vor Ort. Dieses Mal nicht als Aufräumarbeiter, sondern erstmals direkt im stark zerstörten Reaktorgebäude von Block 1. Sein Job: die Wartung, Reinigung und Positionierung von Robotern, die das Innere des Gebäudes scannen, um dessen Ist-Zustand für weitere Arbeiten zu erfassen.

Interessant, dass Tatsuta (der sein Pseudonym vom Namen eines Bahnhofs borgte, was er uns auf den letzten Seiten verrät) seinen Manga quasi als Work in Progress anlegte. Während er seine erste Zeit in Fukushima schrieb und zeichnete, während die ersten Kapitel veröffentlicht wurden, ging er – weil er es unbedingt wollte – wieder dorthin, um eine neue Aufgabe zu übernehmen, die in diesem letzten Band geschildert wird. Dabei zeigt er auch die Fortschritte bei der Arbeit am Super-GAU-Kraftwerk: der Bereich, in dem Schutzkleidung zwingend benötigt wird, ist nun kleiner. Die Kontrollen weniger (dafür der Papierkram mehr) und Teile des Umlands werden wieder für die (ehemalige) Bevölkerung freigegeben. Auch deren Leben und deren Probleme werden angeschnitten: viele Fukushima Arbeiter haben sich in den umliegenden Orten „eingenistet“ und benehmen sich nicht immer „professionell“. Ob der Umgang mit der ehemals radioaktiv kontaminierten Gegend so gesund ist, sei dahingestellt, die Berge von sauber in riesigen Plastiksäcken verpackter Erde, die überall gelagert werden, lassen zumindest Zweifel aufkommen.

Aber unser Mangaka ist zuversichtlich. Er interpretiert dies als Fortschritt, als Weg in Richtung Normalität nach der Nuklearkatastrophe und möchte weiter aktiver Teil der Arbeiten sein. Dafür nimmt er die üblichen Maßnahmen in Kauf: Aufwändige Schutzkleidung ist im Reaktorgebäude weiterhin unerlässlich. Das Aussetzen der Strahlung ist streng reglementiert. Die Arbeiten müssen schnell gehen, denn wenn die erlaubte Strahlungsbelastung, die laufend gemessen wird, erreicht wird, ist Ende für den Tag. Wie aus den beiden Vorbänden gewohnt, zeigt auch der letzte Teil einen hohen dokumentarischen Charakter. Akribisch werden interne Arbeits-Vorgänge geschildert, deren Hintergründe gezeigt und die Veränderungen zu den Vorjahren herausgearbeitet. Dazu kommen viele persönliche Details, v.a. in dem Part, der sich mit der Manga-Adaption befasst. Das ist zwar nicht immer prickelnd und durchaus mit Längen verbunden, aber der einmalige Einblick, den Tatsuta seinen Lesern gewährt, wiegt diese allemal auf, zumal die Arbeit, die er hier in seiner (bisher) letzten Phase zugeteilt bekam, ungleich spannender ist als seine vorherigen Tätigkeiten. Fortsetzung folgt? Nicht ausgeschlossen, denn am Ende verspricht er: „Ich komme wieder!“ (bw)

Reaktor 1F – Ein Bericht aus Fukushima, Band 3
Text & Bilder: Kazuto Tatsuta
176 Seiten in schwarz-weiß, Taschenbuch
Carlsen Verlag
12,99 Euro

ISBN: 978-3-551-76109-5

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