Sonnenstein, Band 3 (Panini)

März 1, 2017

Lisa hat eine ordentliche Beziehungskrise. In der einen Sekunde freut sie sich noch wie die sprichwörtliche Katze eines gewissen Herrn Schmid auf ihr Date mit ihrer Dom Ally, trägt getreulich ihr Hundehalsband und kann es kaum abwarten, in den Bus zu steigen. Dann aber taucht ihr Bruder Mike auf, der sich wieder einmal mit seiner Frau Elaine gestritten und deshalb ordentlich einen gesoffen hat. Als Mike einen kleinen, aber blöden Scherz über das Halsband macht und sie „Lassie“ nennt, löst sich die doch eigentlich so schöne BDSM-Welt in Luft auf: Lisa fühlt sich im Bus beobachtet, suhlt sich im Gedanken, dass diese ganze Sache mit Ally doch zu nichts führen kann und dass sie emotional ein Wrack ist, weil sie dieser ganzen Bondage-Sache nachrennt. Mit dem festen Entschluss, die Chose zu beenden, taucht sie bei Ally auf – nur um sich beim Anblick ihrer Freundin einzugestehen, dass sie sich doch wohl ziemlich verliebt hat. Und ziemlich gerne die Kammerzofe macht, die Ally nach Lust und Laune rannehmen kann.

Wie sehr es knistert, das muss auch der Haus- und Hof-Kostüm- und Gerätschaftenlieferant Alan am eigenen Leib erfahren: den empfangen die beiden Ladies nämlich in voller Latex-Montur, was den Armen, der Ally seinerzeit ja erst ins Metier einführte, so gehörig ins Schwitzen bringt, dass er sogar kurz verschwinden muss, damit ihm nicht der Kopf wegfliegt. Gleichzeitig machen auch Anne und Cassie weitere Bekanntschaft mit ihren geheimen Begierden – vor allem Anne, die es irgendwie gar nicht auf die Reihe bekommt, dass ihre ehemals beste Freundin Cassie, die doch niemand anders als sie selbst erst mit Heavy Metal und dann mit ihrem Herzensschatz Tom zusammenbrachte, mittlerweile mit ihrem Mann wüste Fantasien auslebt, während sie außen vor ist. Als sich Cassie nach einem Piercing auch noch ein Tattoo stechen lassen will, muss sich Anne ernsthaft fragen, ob ihre Abneigung nicht nur der verdrängte Wunsch ist, selbst gehörig mitzumischen…

Im dritten Band seiner beschwingten BDSM-Saga wirft Stjepan Sejic drei Zutaten in den Mixer: optische Opulenz (wie gewohnt), Spiel mit dem Medium (da ist sie wieder, die Meta-Ebene!) und eine gehörige Portion Humor (ha!). Wir beginnen hier einmal in umgekehrter Reihenfolge: stand in Band 2 noch der nicht ganz geglückte Versuch im Raum, eine möglichst dunkle Vergangenheit rund um den Szene-Club Crimson und seine Besucher zu konstruieren, bringt uns Sejic die Welt der Fetische nun mit einer gesunden Prise Spaß deutlich sympathischer und amüsanter nahe. Da sinniert Lisa darüber, dass Latex doch extrem kompromisslos und schweißtreibend ist, wir fühlen mit dem sich abmühenden Alan, der vergeblich um Fassung ringt, als ihm die beiden Damen entgegentreten, und der zum guten Schluss der entsetzten Ally dann doch noch frech ein Glas Milch übers Mieder kippt, um einen ordentlichen Screensaver knipsen zu können.

Ally hingegen zollt der Manneswelt Respekt für die schiere Kraftleistung, die bestimmte Aktivitäten, die sie mit Helferlein ausführt, offenkundig erfordern, während Lisa ein gepflegtes Lispeln entwickelt, weil ihre Zunge doch etwas geschunden ist. Der Spaßfaktor setzt sich bei Zutat Nummer 2 fort: Lisa spricht den Leser mehrfach direkt an („Ja genau, liebe Leser, ich flippte gerade aus!“), ebenso wie die Beweggründe von Anne von einer Mischung aus Lisas Kommentaren und auktorialem Erzähler enthüllt werden: „Da Anne für unsere kleine Gruppe noch eine sehr wichtige Rolle einnehmen wird, ist es wohl an der Zeit, einige Dinge über sie zu erzählen… und wer könnte das besser als Anne selbst… also ohne weitere Umschweife: Anne, bitte!“ Dieser erzählerische Kniff schafft zum einen Distanz zur Fiktion, gleichzeitig aber auch einen vergnüglichen Kontakt zum Leser, der den Ereignissen augenzwinkernd beiwohnen darf, die dann auch optisch abgesetzt sind: die Erinnerungen von Anne erscheinen von einem märchenhaften Rahmen voller Rosen umrandet, die zutiefst ironisch ihren verklärten Blick enthüllen.

Aber vor allem in den Szenen, in denen Lisa ihre Sensualität komplett auslebt, kreiert Sejic durchaus atemberaubende, zeichnerisch eher realistisch gehaltene, teilweise ganzseitige Pin Up-Panels, bei denen das Auge und auch der Sinn gerne verweilt. So entsteht eine äußerst kurzweilige Episode der Saga, die viel unbelasteter und unprätentiöser als Band 2 daherkommt und die Thematik bei allem gebotenen Respekt nicht tierisch ernst darbringt. Wir hoffen, der Vermerk am Ende stimmt: Fortsetzung folgt. (hb)

Sonnenstein, Band 3
Text & Bilder: Stjepan Sejic
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
24,99 Euro

ISBN: 978-3-7416-0256-6

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