Lady Killer, Band 1 (Panini)

Juli 19, 2016

Lady Killer, Band 1 (Panini)

Seattle, Anfang der 1960er Jahre. Hier lebt Josie Schuller ein vermeintliches Bilderbuchleben. Verheiratet mit einem liebenden, treu sorgenden Ehemann und zwei Kindern. Ein nettes Haus mit einer weniger netten Schwiegermutter darin. Josie scheint perfekt. Immer adrett gekleidet, stets elegant, parliert sie gerne mit Freundinnen über Partys und die zu backenden Kuchen und erledigt gewissenhaft und lächelnd das, wofür in jenen Zeiten eine Frau so zuständig war: Haushalt und Küche. Und Morde. Denn Josie führt ein riskantes Doppelleben. Sie ist eine Auftragskillerin mit einer beachtlichen „Berufserfahrung“ von inzwischen 15 Jahren. Und genau das macht sie in den Augen ihres Chefs Stenholm schließlich suspekt. Der mutmasst, dass Familie und „Beruf“ auf Dauer nicht mehr zu vereinbaren sind und befürchtet, dass aus diesem ständigen Konflikt Fehler entstehen können. Denn Diskretion ist in der Branche oberstes Gebot. Und Fehler gehen gar nicht. Also beschließt er Josie durch deren „Führungsoffizier“ Peck aus dem Weg räumen zu lassen. Just als Josie zum ersten mal einen Auftrag nicht ausführt und Gnade gegenüber ihrem potentiellen Opfer, einem kleinen Jungen, walten lässt. Als Peck Josie ausschalten will, zeigt sich, dass er deren Cleverness massiv unterschätzt hat. Schließlich werden er und Stenholm selbst zum Ziel. Denn Josie sinnt auf Rache…

Agentinnen und Auftrags-Killerinnen kennen wir ja schon aus dem Kino. Aber Josie Schuller gibt hier nicht die taffe Ms. Smith an der Seite eines starken Mannes, sondern lebt in einer Zeit, als noch ein anderes Frauenbild vorherrschte. Die Dame des Hauses sollte stets eine gute Figur machen und dabei möglichst unauffällig aber sorgfältig ihrer Arbeit im Heim und am Herd nachgehen. Josie versteht es – zumindest anfangs – gekonnt, dieses Bild aufrecht zu halten und nutzt es als perfekte Tarnung für ihren „wahren“ Job. Ein Klischee als Rückzugsort, indem sie ihre zugedachte Frauenrolle perfekt ausführt. So ahnt auch niemand, dass hinter der Fassade eine ausgebildete und unbarmherzige Killerin lauert. Bis sich Peck zu weit in ihr geliebtes Familienleben wagt und dadurch die Dinge beginnen aus dem Gleichgewicht zu geraten. Als dann noch Stenholm, ihr Chef, auf den Plan tritt, wird sie langsam misstrauisch und nach dem – im wahrsten Sinne des Wortes – verunglückten Mordversuch Pecks leitet sie gnadenlose Vergeltungsmaßnahmen ein, auch um ihre Familie zu schützen. Der blutige Showdown findet dann vor dem ungewöhnlichen Hintergrund der Weltausstellung in Seattle rund um die neu gebaute Space Needle statt und ist furios orchestriert.

Die Story punktet nicht nur mit der taffen Heldin, die – teilweise ironisiert (siehe auch die Titel der einzelnen Episoden) – gegen das Klischee besetzt ist und für die man sofort – trotz ihres „Berufs“ – Sympathien hegt, sondern auch mit durchweg starken Charakteren: Der smarte wie schleimige Peck, der Stenholms Sekretärin anbaggert wie James Bond seine Moneypenny. Ein knochiger, humorbefreiter Chef, der nichts und niemandem traut. Eine misstrauische Schwiegermutter, die heimlich lauscht und spitzt, und die langsam hinter Josies Doppelleben kommt, indem sie die Verrohung der Sitten anprangert, weil Josie mit einem fremden Mann, nämlich Peck, redet. Dann, vor dem Finale, die Komplizen, die Josie rekrutiert: Ruby, quasi eine Kollegin, und den alten Irving – einen sadistisch veranlagten Killer-Rentner, über dessen Vergangenheit man besser nicht so viel erfahren will. Dazu kommen viel Blut und heftige Szenen, die die vermeintlich heile (Frauen-)Welt Josies zusätzlich konterkarieren. Verpackt ist diese gelungene Melange in Bildern, die die ausgehenden 50er/beginnenden 60er Jahre des letzten Jahrhunderts gekonnt und ausdrucksstark, teilweise in ungewöhnlichen Perspektiven und leicht überzeichnet, einfangen. Der Band beinhaltet die komplette erste Storyline, die 2015 in fünf Heften bei Dark Horse erschien. Eine zweite Staffel (ohne Autor Jamie S. Rich) ist dort bereits am Laufen. (bw)

Lady Killer, Band 1
Text: Jamie S. Rich, Joëlle Jones
Bilder: Joëlle Jones, Laura Allred (Farben)
140 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro

ISBN: 978-3-95798-927-7

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