Fanfaren! Pauken und Trompeten! Spirou hat sein Marsupilami wieder! Nach über 45 Jahren! Als André Franquin, der die traditionsreiche Reihe modernisierte und ihr für alle Zeiten seinen Stempel aufdrückte, 1968 Spirou verließ, nahm er seine berühmte Kreation, das Marsupilami, und die Rechte daran mit. Die Folge: eine eigene, neue Marsupilami-Reihe (die Zeichner Bâtem bis heute fortführt, die ebenfalls bei Carlsen erscheint und die sich eher an jüngeres Publikum richtet) ohne Spirou und eine Spirou-Reihe ohne das beliebte Fabeltier mit den erstaunlichen Fähigkeiten, das im südamerikanischen Dschungel von Palumbien beheimatet ist. Nach all den Jahren und Jahrzehnten haben sich die ehemaligen und neuen (und umgekehrt) Rechteinhaber nun geeinigt, weshalb das Marsupilami wieder auf den Seiten Spirous aus dem Hause Dupuis mitmischen darf. Die Ehre, es zu repatriieren fällt nun dem aktuellen, inzwischen etablierten Kreativteam zu, das aus Autor Fabien Vehlmann und Zeichner Yoann besteht und das seit Band 49 unangefochten das Spirou-Ruder steuert. Bei aller (Vor)Freude trotzdem die bange wie neugierige Frage: wie stellen es die beiden an, das lange Fehlen des Marsupilamis zu erklären und wie integrieren sie es in sein neues altes Spirou-Universum?
Die Geschichte beginnt mit einem grübelnden Spirou. Der hat zufällig alte Fotos entdeckt, auf denen just das Marsupilami abgebildet ist. Wann, wie und wo die Fotos entstanden sind – keine Ahnung. Jegliche Erinnerung daran scheint ausgelöscht. Auch Fantasio und sogar der Graf von Rummelsdorf können sich nicht entsinnen und helfen nicht weiter. Doch bald wird Spirou klar: die seltsame Amnesie kann nur durch einen Zyklostrahl verursacht worden sein. Und wer außer Zyklotrop hantiert gerne mit Zyklostrahlen? Genau, Zantafio, Fantasios zwielichtiger Vetter. Der wollte das putzige Tierchen dann auch tatsächlich gewinnbringend in Palumbien verkaufen, wozu er Spirou und Fantasio benötigte und quasi „missbrauchte“. Doch die Sache ging schief. Das Marsu befreite sich und floh in den unwegsamen, heimatlichen Dschungel. Ende der Geschichte. Bis heute. Denn natürlich machen sich die Freunde, gemeinsam mit Zantafio – seines Wissens um die damalige Aktion wegen – auf in den palumbianischen Dschungel. Doch die Suche per Boot scheint erfolglos zu werden. Keine Spur von dem Tier. Erst als man unverrichteter Dinge umkehren will, bringt eine riesige Tidenwelle unsere Freunde in die richtige Richtung. Als man dann – von Zantafio getrennt – endlich das Marsupilami erspäht (eigentlich eher umgekehrt) ist von Wiedersehensfreude nichts zu spüren. Ganz offenbar ist das Marsu sauer auf die zwei, weil es damals durch ihre vermeintliche Schuld so mir nichts dir nichts im Stich gelassen wurde. Und ein verstimmtes Marsupilami, das wissen wir noch, ist gar nicht gut…
Vehlmann und Yoann gehen die Story behutsam aber bestimmt an. Steigern langsam die Spannung bis zum ersten Aufeinandertreffen des Marsupilamis mit Spirou und Fantasio. Das so verläuft wie befürchtet und damit ganz anders als erhofft. Aber zuerst muss die Erinnerung an das Tierchen zurückkommen. Dabei hilft unfreiwillig der Graf mit seinem einzigen Auftritt in dem Band, während des Karnevals von Rummelsdorf, bei dem sich Spirou als Naruto verkleidet (man geht hier mit der Zeit!). Dann spüren die Freunde zuerst Zantafio auf, der sich in der kanadischen Wildnis versteckt und von dort via Internet sein Unwesen treibt. Schließlich geht die Reise dann nach Palumbien, wo die Suche nach dem Marsu unter einem schlechten Stern zu stehen scheint (eigentlich klar, wenn Zantafio mit an Bord ist). Die gute Dramaturgie will es so, dass erst die Beinahe-Katastrophe mit der amazonischen Pororoca-Tidenwelle die Story in bewährtes Fahrwasser führt. Das Wiedersehen ist dann gepaart mit zahlreichen action-betonten Überraschungen, die auch dazu dienen, die originellen Fähigkeiten des Tieres wieder ins Gedächtnis zu rufen und zu präsentieren.
In der Story überraschen dabei auch die Nebenschauplätze: Fantasio schleppt ein Satelliten-Telefon mit sich, mit dessen Hilfe er seine Büro-Geschäfte weiterführt und endlich die wichtigen Verträge mit Bruchmüller zum Abschluss bringen will, was natürlich scheitern muss. Na, klingelt’s? Genau, Bruchmüller – der aus Gaston, Franquins anderer großer Serie, der der Carlsen Verlag jüngst eine mächtige Gesamtausgabe spendierte. Denn auch Gaston und die Charaktere daraus (so ist Demel auch kurz mit von der Partie) agieren fortan wieder im Spirou-Kosmos, was Vehlmann und Yoann gleich augenzwinkernd mit dem altbewährten Running Gag aufgreifen. Vehlmann präsentiert diese wichtige, ja geradezu historische Geschichte frisch, witzig, spritzig, humorvoll, sich immer des großen Spirou-Erbes bewusst, ohne es als Last zu empfinden. Zeichnerisch fühlt sich Yoann sichtlich wohl und präsentiert sich als würdiger Nachfolger im Sinne der besten Franquin’schen Schule. Als Leser und Betrachter hat man damit zu keinem Zeitpunkt Zweifel, dass all die Figuren, wieder vereint unter einem Dach, nicht in den besten Händen sind. Auch die abschließenden Zusatzseiten beschäftigen sich informativ mit der Wiedereingliederung des Marsupilamis und mit der Entstehung des Albums. (bw)
Spirou + Fantasio, Band 53: Der Zorn des Marsupilamis
Text: Fabien Vehlmann
Bilder: Yoann
64 Seiten in Farbe, Softcover
Carlsen Verlag
9,99 Euro
ISBN: 978-3-551-77463-7