Gwen Dolyn hat immer noch ein Problem. Wir erinnern uns: die liebe Gwen ist ein Zombie und muss spätestens alle vier Wochen ein Gehirn zu sich nehmen, um nicht zu einem tumben Herumschlurfer zu werden, wie die Angehörigen ihrer Sippschaft sonst ja gerne mal sind. Als Totengräberin hat sie eigentlich auch immer Nachschub, aber seit einiger Zeit werden Leichen aus dem Leichenschauhaus gestohlen – also sieht der Speisezettel mager aus. Ihre Freundin, der Geist Ellie, erzählt das flugs Amon, dem mysteriösen Ägypter/Mumie, den sie an Halloween kennengelernt haben und der ihr erklärt hat, wenn sie ihre Menschlichkeit komplett ablegt, sollte das alles doch kein Problem sein. Amon wird neugierig und beginnt in der Sache zu ermitteln, weil ihm schwant, wer dahinterstecken könnte. Und er liegt goldrichtig: Galatea, eine Untote, die er aus früheren Zeiten kennt, klaut die ganzen Körper zusammen und erweckt die tote Vampirin Claire wieder zum Leben. Die Verschwundenen sind nämlich alles andere als tot, sondern nur mit einer Droge in eine Starre versetzt – und Claire soll ihnen so viel Blut aussaugen, dass sie das gerade mal so überleben.
Amon stellt Galatea zur Rede und erfährt, was die Holde im Schilde führt: sie will das Überwesen Xitalu, einen interdimensionalen Weltenverschlinger, bändigen und seine Macht übernehmen – und dafür braucht es eben ein paar Opfer… Einstweilen hat Gwen noch ganz andere Sorgen: Horatio überredet sie erfolgreich zu einem Date – eigentlich alles bestens, aber eigentlich ist Horatio ja Jäger von übersinnlichen Phänomenen aller Art und dürfte wohl nicht schlecht staunen, wenn er erfährt, was er sich da eigentlich angelacht hat. Die Vampirtruppe um Nemia, die sie hochgenommen haben, lässt das unterdessen nicht auf sich sitzen und entführt seinen Partner Diogenes, um den beiden einen Deal vorzuschlagen: gegen Informationen über die übernatürlichen Vorgänge in Eugene, Oregon können die Vampirladies weiter ihrem Bloodsport nachgehen – zu Tode kommt ja keiner, wie sie versprechen. Und als ob das alles noch nicht genug sei, handelt sich Gwen noch einen Auftrag ein: nachdem sie das Gehirn der bei einem Feuer umgekommenen Marion zu sich nimmt, nimmt der Geist der Toten von ihr Besitz und schickt sie zur entfremdeten Tochter Tricia, um ihr zu versichern, dass Mami sie doch immer geliebt hat. Dabei stellt Gwen fest, dass sie weit mehr mit Tricia verbindet als zuerst vermutet… ach ja, und ganz nebenbei wohnt der Opa von Werterrier Scott im Körper eines Affen bei seinem Enkel. Genau.
Das furiose Ideenfeuerwerk, das Chris Roberson in dieser Serie zündet, kann man nur noch mit Staunen beobachten. War schon die Grundkonstellation mehr als nur originell – jenseits aller existentialistischen Krisen im Stile der Walking Dead sieht sich Gwen mit sehr praktischen Fragestellungen des Zombie-Daseins konfrontiert, z.B. wie bekomme ich ein Date mit einem Geisterjäger? -, entfaltet Roberson nun immer vielfältigere Handlungsstränge, die letzten Endes doch alle ineinander verwoben sind. Die Monsterjäger Diogenes und Horatio wirken dabei, als ob Blade in der Matrix die X-Files nachspielt, während der etwas verwirrte Geist Ellie, die geistig in den 60ern stehengeblieben ist, erst lernen muss, dass man als Geist durch den Kniff der Besessenheit durchaus auch einen Körper haben kann. Die fesche Mumie Amon ist ein finsterer, aber doch nobler Geselle, wie man ihn aus vielen Teenie-Vampir-Stoffen kennt, und der ohnehin schon lustige Einfall eines gar gräulichen Werterriers wird ins Absurde gesteigert, als der verstorbene Opa den Körper eines Affen in Besitz nimmt und Scott rauchend und saufend terrorisiert, er solle doch endlich mal ein Mädel aufreißen anstelle mit seinen Nerds Computer zu zocken.
Auch insgesamt gerät die Serie immer mehr zum Kommentar auf das Genre und seine Fans, was durch intertextuelle Anspielungen, aber auch spaßige Illusionsbrüche funktioniert: da liest Ellie ein Comic namens ‚Harriet the Happy Ghost‘ und stellt fest, dass das doch eigentlich genau ihre Geschichte sei; Scott hängt im Comicladen herum und lebt sein Leben in Rollenspielen; und Claire fragt den Leser, ob man denn allen Ernstes denke, im Vergleich zu ihren Problemen habe man echte Sorgen. Dabei darf man sich über Anspielungen aller Art freuen, etwa den Weltenverschlinger à la Cthulhu und Galactus, während die Figuren andererseits durch sehr reale Schauplätze wandern (etwa die Universität in Eugene, Oregon) und das Konzept der Über- und Unter-Seele von Ralph Waldo Emerson entliehen ist, was eine weitere geistesgeschichtliche Verankerung bringt.
Der aktuelle Silver Surfer-Zeichner Michael Allred (der auch für die Credits der TV-Adaption verantwortlich… ähem… zeichnete) bringt das Geschehen wieder im funny-Stil, der den überdreht-absurden Inhalt bestens spiegelt und auch optisch die Erzählebenen transportiert – so etwa, als Ellie auf dem Friedhof den Erzählungen anderer Geister lauscht und diese in jeweils passender Gestaltung erscheinen. Insgesamt somit eine knallbunte Achterbahnfahrt durch Genre-Konventionen, Geek-Dasein und Erwachsenwerden, das als diebisch-spaßige Parodie ebenso gut funktioniert wie als respektlose Hommage. Der vorliegende Band enthält die US-Ausgaben iZombie 6-12 sowie das House Of Mystery Halloween Annual 2 (wo die Charaktere ja ohnehin erstmals das Licht der Welt erblickten), eine Zusammenstellung, die in den USA 2011 unter dem Titel uVampire erschien. Band 3 ist in Vorbereitung. (hb)
iZombie, Band 2: Blutsauger
Text: Chris Roberson
Bilder: Michael Allred
172 Seiten in Farbe
Panini Comics
19,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-666-5