Machthungrig. Ziemlich außerirdisch. Riesig. Größenwahnsinnig. Und vor allem: total durchgedreht. Auf den Unhold Thanos vom Titan (nicht der, vom!) passen so ziemlich alle diese Attribute. Dabei kommt uns der 1974 von Jim Starlin ersonnene Herr mittlerweile gleich in mehreren Ausgaben entgegen – nicht zuletzt als finsterer Sammler der Infinity-Steine und hinterhältiger Gegenspieler der munteren Guardians of the Galaxy in DEM Überraschungs-Kino-Hit des Jahres 2014. In den Händen seines Schöpfers Starlin wandelte sich Thanos allerdings nicht zuletzt durch das monumentale Epos ‚The Infinity Gauntlet‘ zu deutlich mehr als nur einem zerstörungswütigen Überwesen: mehrfach hat er von gottgleicher Macht gekostet, nur um zu sehen, wie sie ihm wieder entrissen und er noch dazu unsanft ins Jenseits verfrachtet wird. Dabei bleibt es allerdings nahezu nie, Thanos wird zum Wiedergänger zwischen den Welten, Dimensionen sowie Leben und Tod und ist dabei immer auf der ewigen Suche nach Unsterblichkeit, Macht und den Artefakten, die ihm eben dies verleihen könnten.
Da kann es schon einmal vorkommen, dass sich Thanos nach einer fast erfolgreichen Schlacht gegen die Helden der Erde, bei der ihn Captain Marvel mit letzter Kraft besiegt, durchaus tot im Hades wiederfindet, wo ihn dessen Herrscher Mephisto zu seinem Adlatus machen möchte. Gegen Unterwerfung aller Art hat der rosa Fiesling allerdings so einiges, weshalb es ihm durchaus zupass kommt, dass er sich plötzlich selbst gegenübersieht. Natürlich nicht real, sondern in einer Inkarnation, die ihm demonstriert, wie nützlich ihm der Handschuh der Macht in der Zukunft – genauer gesagt in „endlosen Zukünften“ (cool oder?) – noch sein kann. Der Handschuh wird ihm dabei auch mal von seiner angeblichen Tochter Nebula geklaut, auch vor dem ultimativen Angriff von Drax dem Zerstörer (dem ihr das Herz herausreißt) kann er ihn nicht bewahren, und gemeinsam mit Adam Warlock (den er natürlich auch mal tötet, worauf dieser wiederaufersteht) stellt er sich sogar Galactus in den Weg. Als sein zukünftiges Alter Ego Thanos dann auch noch zeigt, dass er alle Verteidiger der Erde auf dem Mond in den Staub tritt, erwacht er aus seinem totgleichen Schlaf und macht sich auf, um fröhlich das gesamte Universum zu terrorisieren.
Dazu findet er dann in Teil 2 auch jede Gelegenheit: er besucht seine alte Gefährtin Lady Death und erhascht einen Blick in den Infinity-Brunnen, wo ihm ein wundersames Artefakt offenbart wird: eine mit geheimnisvollen Schriftzeichen verzierte Schatulle, die er flugs als einen Hinweis auf die so ungeduldig gesuchten Antworten auf alle Fragen versteht. Mit einer erneuten Reinkarnation von Adam Warlock macht er sich in seinem Raumer auf, um die Schatulle zu finden, was ihm dann bei den Badoon, die ihre Wunden noch von der Schlacht gegen die Guardians of the Galaxy lecken, tatsächlich auch gelingt. Zwischenzeitlich hat auch ein gewisser silberner Reiter auf einem Surfboard eine ganz besondere Energiequelle entdeckt, die verblüffende Ähnlichkeit mit dem Schmuckstück aufweist, das Thanos der Schatulle entnimmt. Von da aus macht man sich auf gegen die Annihilators, der bunten Truppe um Beta Ray Bill, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, dort einzugreifen, wo es alle anderen interstellaren Bündnissen zu heiß wird. Als dann auch noch der Silver Surfer in die Keilerei einschreitet, geht es endgültig ums große intergalaktische Ganze…
Mit Thanos legte Jim Starlin Mitte der 70er die Basis für epische, zeit- und dimensionsüberspannende Erzählbögen, die bevorzugt ganze Welten und Heldengeschwader erfassten und gerne für epochale Mega-Events genutzt werden, so etwa für den Infinity Gauntlet, der mittlerweile zum modernen Klassiker avanciert ist. Dabei differenziert Starlin den Charakter des Titan-Bewohners immer mehr und führt ihn von der dräuenden Eminenz, den vor allem das Kinopublikum kennen lernen konnte, zu einer Gestalt auf der Suche nach den Rätseln des Universums und vor allem der Unendlichkeit. Dabei erleben wir allerdings keineswegs pseudophilosophische Traktate, sondern einen Protagonisten, der ganz freiwillig bekundet, wahnsinnig zu sein – und somit ergibt sich eine durchaus diebisch-fröhliche Hatz quer durch Raum und Zeit, auf der weniger die Schwere von ‚2001 – Odyssee im Weltraum‘ sondern eher die durchaus fundierte Leichtigkeit eines ‚Hitch Hiker’s Guide to the Galaxy‘ herrscht. Ganz nebenbei haut Thanos gerne mal alles und jeden zu Klump, und durch den Kunstgriff in Teil 1, als ihm seine spätere Inkarnation so einiges erzählt, hat auch der nicht eingeweihte Leser ein buntes Panorama über Steine der Ewigkeit, Handschuhe der Macht, Wesen mit klingenden Namen wie Eternity, Infinity und Lebendes Tribunal. Weit weniger verwirrend oder gekünstelt komplex als andere Mega-Epen, spannt Starlin den Reigen flott-beherzt über alle Dimensionen, lässt Helden wie Avengers, die Guardians of the Galaxy und den Silver Surfer eher am Rande mitmischen und fokussiert die Handlung auf einen Irren, der auszog, die Zeit zu verstehen. Das klingt vielleicht kompliziert, ist aber enorm unterhaltsam und mitreißend.
Der vorliegende Marvel Exklusiv Band Nr. 113 vereint das Thanos Annual 1 sowie die abgeschlossene Graphic Novel Thanos: The Infinity Revelation, beide von 2014 und aus der Feder von Altmeister Jim Starlin. Wer etwas mehr Geld anlegen möchte, dem sei die auf 444 Stück limitierte Hardcover-Variante für € 25 empfohlen.(hb)
Marvel Exklusiv, Band 113: Thanos – Die Infinity-Offenbarung
Text: Jim Starlin
Bilder: Jim Starlin, Ron Lim, Andy Smith
148 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro
ISBN: 978-3-95798-342-8