
Hildegard Knef haben wir in unserer Kindheit hauptsächlich durch den Boulevard wahrgenommen: Ihr Gesichts-Lifting (unerhört), ihre Heirat mit einem deutlich jüngeren Mann (nicht minder unerhört), Gerüchte über ihren Gesundheitszustand. Aber immerhin stand im elterlichen Bücherregal ein Exemplar vom Geschenkten Gaul. Später entdeckten wir als Film-Interessierte ihre schauspielerischen Arbeiten, sogar in Hollywood-Produktionen wie in der Hemingway-Verfilmung „Schnee am Kilimandscharo“ (als Hildegarde Neff), aber auch ihre frühen deutschen Filme, wie „Unter den Brücken“, „Die Mörder sind unter uns“ und natürlich „Die Sünderin“. Und noch später brachte sie uns ihr musikalisches Werk zur Geltung, indem sie für sich und für Extrabreit noch einmal rote Rosen regnen ließ. Jetzt legt Autor und Zeichner Moritz Stetter eine Comic-Biographie über „Die Knef“ vor, die wir uns gerne genauer anschauen.
Der Band geht chronologisch vor. So sehen wir eine junge Hilde, die schon früh schauspielerische Ambitionen zeigt, die aber nicht fruchten. Stattdessen arbeitet sie in der Trickfilmabteilung der Ufa. Ihren Durchbruch feiert sie dann 1946 im ersten deutschen Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“. Sie heiratet den US-Kontrolloffizier Kurt Hirsch, wird schlagartig berühmt. Eine erste, jedoch enttäuschende Episode in Hollywood folgt bereits 1948. Dort begegnet die Knef Marlene Dietrich, der ersten deutschen Diva von Weltruhm, die fortan eine Art Hollywood-Ersatzmutter für sie wird. 1950 dann der weitreichende Skandal um „Die Sünderin“, der 6,5 Millionen Kinobesucher anlockt. Dann wieder internationale Filme, diesmal erfolgreicher, ein erschöpfendes Engagement am Broadway, eine zweite Ehe, Erfolge als Sängerin und Schriftstellerin…
Die Graphic Novel endet nicht mit dem Tod Hildegard Knefs im Jahr 2002, sondern bereits vor ihrer dritten und letzten Ehe mit Paul von Schell in den Siebziger Jahren. In seiner Comic Biographie webt Moritz Stetter immer wieder Songtexte der Knef ein, wobei der Text von „Von nun an ging‘s bergab“ eine Art wiederkehrendes Motiv bildet, das im Refrain stets in einem ganzseitigen Portrait der Knef mündet, die dabei jedes Mal altert. Stetter zeichnet mit einem breiten Tuschestrich, der großformatige Panels entstehen lässt, wobei die Personen stets erkennbar sind. Er meidet dabei weitgehend das bloße Kopieren bekannter Fotos und präsentiert kluge wie originelle visuelle Ideen und Stilmittel, sei es bei den fast monochrom dunkelrot gestaltetet Kriegserinnerungen oder der Auftritt der Knef als nackte Sünderin in Godzilla Manier, die die katholischen Sittenwächter plättet.
Manche der Episoden, deren zeitliche Abstände gegen Ende des Bandes größer werden, werden nicht erklärt, man muss sie sich erarbeiten. Wie beispielsweise die Szene mit einem Regisseur, der Hildegard sichtlich bevormundet und den man nur anhand der Vorstellung der Dramatis personae zu Beginn als Anatole Litvak identifizieren kann, mit dem die Knef 1951 den Kriegsfilm „Decision before Dawn“ drehte („Entscheidung vor Morgengrauen“). Daneben treffen wir mit der Knef kurz auf Romy Schneider und Marilyn Monroe, die sich erst in der Maske zum Star (ver)wandelt. Fazit: die Biographie eines Deutschen Weltstars – auch anlässlich des hundertsten Geburtstages im Dezember dieses Jahres –, die in ihrer originellen Machart zeigt, was nur im Comic möglich ist. (bw)
Die Knef
Text & Bilder: Moritz Stetter
208 Seiten in Farbe, Hardcover
Carlsen Verlag
26 Euro
ISBN: 978-3-551-77038-7