Ein indianischer Sommer (Splitter) | Comicleser

Ein indianischer Sommer (Splitter)

Oktober 28, 2025
Ein indianischer Sommer (Splitter Verlag)

Massachusetts, um 1625. Nur wenige europäische Kolonisten haben sich bisher in die Neue Welt gewagt. Die verstreuten Siedlungen an der amerikanischen Ostküste versuchen sich zu etablieren, kämpfen aber noch immer ums Überleben. Einer dieser befestigten Orte ist New Canaan. Außerhalb der Siedlung lebt die Familie Lewis, die freundschaftlichen Kontakt zu den örtlichen Indianern hält. Abigail Lewis, die Mutter von vier Kindern, trägt das Schandmal der Lilith eingebrannt auf der Wange. Was die ganze Familie brandmarkt, ein Leben außerhalb der Gesellschaft und des Ortes zu führen.

Eines Tages überrascht Abner, der zweitälteste Sohn, Indianer, die am Strand eine junge Frau vergewaltigen und tötet sie. Das Mädchen, die Nichte von Reverend Black aus New Canaan, bringt Abner zu seiner Familie. Als der Reverend von der Tat erfährt, sucht er voller Abscheu das Haus der Lewis‘ auf, zu denen er dennoch eine besondere Verbindung zu haben scheint. Aber auch die Indianer wollen sich bei den Lewis‘ für die Tat von Abner rächen…

„Ein indianischer Sommer“ ist die erste von zweien und die mit weitem Abstand beste Zusammenarbeit zwischen Hugo Pratt und Milo Manara (die andere ist „El Gaucho“, ebenfalls jüngst bei Splitter erschienen). Die Geschichte wurde erstmals 1983 in dem italienischen Comicmagazin „Corto Maltese“ veröffentlicht. Die erste deutsche Ausgabe erschien 1986 in zwei Bänden im Carlsen Verlag, gefolgt von einer großzügig limitierten Gesamtausgabe zum Jubiläum „25 Jahre Carlsen Comics“ im Jahr 1992. 2009 erschien die Erzählung dann in Band 2 der Manara Werkausgabe bei Panini. Die jetzige Splitter Version ist somit die vierte Veröffentlichung in Deutschland.

Die Handlung beginnt fast ohne Worte, dafür mit ganz viel Atmosphäre. Wir sehen die Brandung, Dünengras, das sich im Wind wiegt, einen Schwarm Möwen am Himmel. Dann folgt die Tat, die eine verhängnisvolle Kettenreaktion auslöst, welche schließlich zur Katastrophe führen wird. In deren Zentrum steht die Familie Lewis: Mutter Abigail, ihre Söhne Abner, Elijah (der Älteste) und Jeremiah (der Jüngste), sowie die Tochter Phillis. Von der puritanischen Gesellschaft ausgestoßen und teilweise bei den befreundeten Indianern aufgewachsen. Und während die einen sie immer noch mit Missachtung strafen, trachten die anderen jetzt nach Rache.

Dann ist da Reverend Black, der eigentliche Antagonist. Kein frommer Diener des Herrn, sondern einer, der in schwarzer, fast dämonisch hageren Gestalt daherkommt, der v.a. den Lewis gegenüber seinen Hass gnadenlos und unversöhnlich versprüht und der (wie schon sein Vater) unter der Deckung seines religiösen Amtes schamlos Missbrauch betreibt und betrieb – wobei die expliziten Szenen in Abigails Rückblicken auf ihre Jugend in der Splitter Fassung hier im Gegensatz zu den Panini und Carlsen Ausgaben zum Teil entschärft, bzw. durch neue Panels ersetzt sind.

Auch später sparen Hugo Pratt und Milo Manara oft mit Worten und lassen in vielen Sequenzen die Bilder sprechen. So stecken auch die kriegerischen Auseinandersetzungen voller Dynamik und Tragik – für beide Seiten. Das Geschehen ist von Manara in herbstliche Farben getaucht (keine Direktkolorierung), wodurch trotz der Tragik auch romantisierte Sequenzen entstehen, für die auch die naturverbundenen Indianer sorgen, mit ihrer teils skurrilen Rache-Logik („Denn es ist alte Tradition, Sinnloses nicht nur zu tun, sondern auch zu achten“).

Nach dem dramatischen Finale und dem Ende der Story setzt Pratt das Geschehen und dessen Protagonisten in den Kontext amerikanischer Geschichte. Auf vier Seiten, natürlich wieder meisterhaft von Manara illustriert, beschreibt er den Werdegang der verbliebenen Mitglieder der Lewis-Familie und verwebt diesen u.a. mit prominenten frühen Amerikanern und Amerikanerinnen wie Anne Hutchinson (Mitbegründerin der Kolonie von Rhode Island) oder Nathaniel Hawthorne (der angeblich dadurch zu „Der scharlachrote Buchstabe“ inspiriert wurde). Außerdem dankt Pratt hier Milo Manara, der die Geschichte „so vortrefflich illustriert hat“. Dem können wir uns nur anschließen. (bw)

Ein indianischer Sommer
Text & Story: Hugo Pratt
Bilder: Milo Manara
176 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
35 Euro

ISBN: 978-3-68950-062-7

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