
Ostern 1494: Rodrigo Borgia ist seit gut zwei Jahren Papst Alexander VI. und mit inzwischen 63 Jahren nicht mehr der Jüngste. Zeit also sich um die Verwirklichung seines großen Plans zu kümmern, nämlich die Kirche über die ganze Welt zu verbreiten. Mit sich selbst an der Spitze, versteht sich. Und natürlich seiner Familie, den Borgias. Als unvermittelt die Pest ausbricht, flieht er mit seiner Familie und seiner neuen Mätresse Giulia Farnese aus Rom und gibt seinen inzwischen erwachsenen Kindern Lucrezia und Cesare Aufgaben, die sie nicht ablehnen können. Monate später sieht Rodrigo seine Herrschaft erneut bedroht, diesmal von seinem Widersacher und Konkurrenten Giuliano della Rovere (später Papst Julius II.), der sich mit dem französischen König Karl VIII. verbündet und in Italien einmarschieren will…
Der Band beginnt ganz nach Jodorowsky-Art mit einer ausschweifenden Oster-Orgie, die Milo Manara einmal mehr beeindruckend, voller Leben und Details in Szene setzt. So richtig derbe wird es auch bei der Befreiung von Giulia Farnese aus dem Kloster, später sorgt Rodrigos gedungener Haus- und Hof- Mörder Micheletto für einen Schockmoment, als er eine Intrige seines Herrn ausführt. Nach wie vor sucht man Schuldgefühle oder gar Moral bei den Borgias vergebens – die Macht, deren Erhaltung und Vermehrung steht über allem, dicht gefolgt von anderen Trieben. Dabei schützt Rodrigo seine Familie, seine Kinder, die ihre (inzestuösen) Gelüste in aller Ruhe und dem Gerede zum Trotz ungestört ausleben können. Wobei Vater Rodrigo kräftig mitmischt.
Alejandro Jodorowsky lässt hier naturgemäß etliche historische Figuren agieren in ebenso tatsächlichen Geschehnissen, vereinfacht dabei aber auch den Kontext, sei es bei den Beziehungen der Personen untereinander oder bei den Zeitlinien. So gab es auch den Mörder Micheletto, der aber wohl eher Cesare unterstand, nicht dessen Vater. Und natürlich weidet Jodorowsky all die Legenden, die zum bis heute verruchten Ruf der Familie Borgia beitrugen, nur allzu gerne weiter aus. Inzucht (u.a. sind Cesare und Lucrezia ein Paar), Mord und Intrigen sind an der Tagesordnung, bei einem Papst, der sich wie damals üblich auch als weltlicher Herrscher versteht.
Der Band wäre kein echter Manara ohne die reichlich vorhandene Erotik-Komponente. Jedoch sollte man hier bei Manaras Zeichenkunst den Fokus auf seine Massen-Darstellungen richten, seien es die ausschweifenden wie freizügigen Festivitäten voller kleiner, gerne pikanter Details oder die Versammlung im Vatikan, als der Papst seinen Sohn Cesare zum Kardinal ernennt. Und auf die wieder wildromantischen Ruinen, die vom verblassten Ruhm der ewigen Stadt künden. Die Story dreht sich im zweiten Teil des Bandes ganz um die Bedrohung durch Karl VIII. der schließlich Cesare als Geisel akzeptiert und so die Borgias den Kürzeren ziehen lässt. Vermeintlich… Mit dem ebenfalls erschienen Band 4 ist die Reihe dann beendet. Dazu in Kürze mehr. (bw)
Borgia, Band 3: Ketzer und Könige
Text & Story: Alejandro Jodorowsky
Bilder: Milo Manara
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22 Euro
ISBN: 978-3-68950-060-3