Irgendwo in Zentralschottland, im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Die Römer wollen Britannien erobern, stoßen aber hoch im Norden immer wieder auf erbitterten Widerstand der Pikten. Unter den römischen Legionären, die in diesem unwirtlichen Land ihren Dienst tun, ist ein Hüne namens Melonius Brigantus. Melo, wie er von seinen Freunden, die er nicht hat, genannt wird, stammt aus dem Volk der Briganten, die rund um das heutige York lebten.
Doch als Bastard und zum Dienst in der römischen Legion erzogen, ist er ein Außenseiter und damit Ziel von Spott und Hohn seiner Kameraden. Vor allem Vigilius, eigentlich Melonius‘ Vorgesetzter, hat es auf ihn abgesehen. Nachdem er ein piktisches Mädchen rettet, wird er v.a. durch das Betreiben von Vigilius aus der Armee verbannt und findet ausgerechnet bei den Pikten Unterschlupf. Aber auch die heißen Melonius nicht gerade willkommen…
Yves H., bekanntlich Hermanns Sohn und seit langem sein Stammautor, erzählt in seinem Zweiteiler die Geschichte eines entwurzelten Außenseiters. Melonius ist ein Hüne, furchtlos und stark. Eine Kriegsmaschine, wie er sich selbst nennt. Seine Kameraden nennen ihn verächtlich den „Pikten“. Nur der Legionär Aurelius scheint ihm wohlgesonnen. Vigilius lässt keine Gelegenheit aus, Melo zu drangsalieren und zu demütigen.
Als der seinem Sinn für Gerechtigkeit folgt, scheint sein Schicksal besiegelt. Doch voller Hass wechselt der hünenhafte, nicht nur körperlich verletzte Soldat, die Fronten, kämpft nun gegen Rom und führt die unorganisierten und eigentlich unterlegenen Pikten gegen seine einstigen Arbeitgeber. Stets auf der Suche nach seinem Platz in der Welt, nach Geborgenheit und vielleicht auch auf der Suche nach Erlösung.
Die raue wie blutige Geschichte um den tragischen Protagonisten ohne Heimat und Familie könnte in jedem Zeitalter spielen, in jedem Krieg. Zeichenveteran Hermann Huppen jedoch macht das unwirtliche, nebelverhangene und regnerische heutige Schottland zu einem weiteren Hauptakteur der Geschichte. Mit seiner traditionellen Direktkolorierung erzeugt er einmal mehr einmalig atmosphärische Panels mit Nacht- und Nebelszenen oder vor grauverhangenem Hintergrund.
Freilich mag er mit diesem düsteren wie stimmungsvollen Setting auch ein Stück weit seine inzwischen teils ungelenk wirkenden Gesichter und skizzenartige Andeutungen zu kaschieren. Aber man beachte: der Mann, der u.a. mit „Andy Morgan“ und „Comanche“ franko-belgische Comic-Geschichte schrieb, zeichnet mit fast 87 Jahren noch immer zwei Alben pro Jahr – seine Produktivität scheint in keiner Weise nachzulassen. Daher: Großen Respekt vor dieser Leistung. (bw)
Brigantus, Band 2
Text: Yves H.
Bilder: Hermann
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Erko Verlag
14,95 Euro
ISBN: 978-961-7210-10-1
