
Hollywood ruft: Nach dem Welterfolg „Der blaue Engel“ geht Marlene mit ihrem Regisseur Josef von Sternberg nach Kalifornien. Dort drehen die beiden für die Paramount mit „Morocco“ Marlenes ersten amerikanischen Film, gleich ein Kassenschlager. Fünf weitere Sternberg-Filme sollten folgen, im letzten, „The Scarlett Empress“ von 1934, steht auch Maria, Marlenes Tochter, als junge Zarin vor der Kamera. Das Verhältnis zur Tochter bleibt Zeit Lebens unterkühlt und fühlt sich eher als Arbeitsbeziehung an. Marlene scheut sich nicht, dem Mädchen schroff formulierte Tipps zu geben („Aber werd ja nicht dick“). Ihre volle Zuneigung schenkt sie dagegen ihren diversen Affären, von Sternberg (neben dem sie wohnt), Maurice Chevalier, Gary Cooper, Douglas Fairbanks Jr., Erich Maria Remarque und v.a. Jean Gabin. Wir erinnern uns: die Dietrich ist verheiratet und führt mit ihrem Mann Rudolf Sieber bis zu dessen Tod eine offene Ehe.
Nach der Machtergreifung durch die Nazis wird die Situation ihrer Familie in Deutschland schwieriger, dennoch entscheiden sich Eltern und Schwester, die von Marlene finanziell unterstützt werden, gegen ein Exil in Amerika. Inzwischen dreht Marlene u.a. mit Ernst Lubitsch, wird 1938 aber zum Kassengift erklärt – ein feines Beispiel, wie schnell sich der Wind im Filmgeschäft doch drehen kann – ehe ihr nur kurz darauf mit einem veränderten Image 1939 in dem Western „Destry Rides Again“ („Der große Bluff“) an der Seite von James Stewart ein erfolgreiches Comeback gelingt. Dann beginnt der Krieg, Jean Gabin entscheidet sich zu kämpfen (er wird Panzerkommandant) und auch Marlene – inzwischen Amerikanerin – geht nach Europa, um die GIs in Frontnähe zu bespaßen. Und stellt unmittelbar nach Kriegsende den Kontakt zu ihrer Familie, ihrer Mutter und ihrer Schwester, wieder her. Schließlich beginnt sie eine neue Karriere als Sängerin, die bis 1975 andauern wird, ehe sie sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückzieht…
Die Dietrich, die einzige deutsche Filmdiva von Weltrang, führte ein langes, ereignisreiches Leben und war 90 Jahre alt, als sie im Mai 1992 in Paris starb. Klar, dass der zweite und abschließende Band dieser Comic-Biographie, der immerhin 62 Jahre abdeckt, nicht vollständig sein kann. Schlaglichtartig und wie im ersten Band erfrischenderweise nicht immer streng chronologisch, schildern Autor Alessandro Ferrari, der sein Literaturstudium dereinst mit einer Arbeit über Marlene Dietrich abschloss, und die Zeichnerin und Wahl-Berlinerin Flavia Scuderi hier mit einem gewissen Mut zur Lücke wichtige Episoden aus dem Leben der Film- und Stilikone. Dabei teilen Sie den Band, auf den wir drei Jahre warten mussten, in drei Kapitel auf: „Die bestbezahlte Frau der Welt“ schildert recht ausführlich ihre frühe Hollywood-Karriere samt dazugehörigen Liebhabern, „Verräterin“ thematisiert ihre später in Deutschland umstrittene Truppenbetreuung im Krieg und „Die faszinierendste Oma der Welt“ streift ihre lange Karriere als Sängerin und greift noch einmal das schwierige Verhältnis zu ihrer Tochter Maria Riva auf (die später ein bekanntes Buch über ihre Mutter schrieb und die heute 100 Jahre alt ist).
Der letzte Dietrich-Film, der thematisiert wird, ist Billy Wilders in Berlin gedrehter Nachkriegsfilm „A Foreign Affair“ („Eine auswärtige Affäre“) von 1948. Ihre Spätwerke, wie „Das Urteil von Nürnberg“ („Judgment at Nuremberg“ von 1961) bleiben dagegen komplett außen vor, wie auch die berühmte Dokumentation von Maximilian Schell, der sie ja bekanntlich dafür nicht filmen durfte. Ferrari und Scuderi zeichnen das bekannte komplexe Bild der Künstlerin, die sich zeitlebens nicht unterordnete, sich mehr als einmal neu erfand, sich in keine Schublade stecken ließ und immer ein Stück weit unnahbar blieb. Die kräftigen Zeichnungen, in denen Marlene immer gut getroffen ist und die durch die von ihr ausgehende, in sanften Rottönen gehaltene Aura stets im Mittelpunkt steht, wechseln zwischen konventioneller Panelgestaltung und ganzseitigen Kompositionen, wie beispielsweise zu „Destry rides again“. All das hebt beide Bände über eine bloße Nacherzählung des Lebenslaufs oder einen bebilderten Wikipedia Eintrag weit hinaus. (bw)
Marlene Dietrich, Band 2
Text: Alessandro Ferrari
Bilder: Flavia Scuderi
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
17 Euro
ISBN: 978-3-7416-3091-0