Futureworld: Will Jones hat’s gut getroffen. Er ist ein „Plus“, lebt privilegiert in einem luxuriösen Wohnkomplex gemeinsam mit seiner Gefährtin Kiss. Die erledigt brav ihren Job, den man von ihr erwartet: Sie ist hübsch, kocht jeden Abend für ihn und bereitet ihm dann ein allabendliches Bettvergnügen. Kein Problem für Kiss, schließlich ist sie ein „Babe“, ein Androide und wurde Will „zugeteilt“. Aber: sie überwacht ihn auch, wie sich später noch zeigen wird. Will arbeitet in der „Historischen Akademie“. Dort bereinigt man die Vergangenheit, bzw. das davon noch erhaltene Halbwissen, nach dem heutigen Gusto – aktuell ist der Kommunismus an der Reihe. Auch sonst ist Will mit sich im Reinen: Nach der Arbeit kämpft er von seiner Couch aus in einer interaktiven TV-Show und plaudert mit seinem Nachbarn Nigel, ein Polizist, der Säuberungen durchführt.
Die Vorbilder und Motive, an denen sich Vielschreiber Rodolphe und Zeichner Griffo in ihrem Dreiteiler orientieren, sind offenkundig: Von George Orwells „1984“ (das „Ministerium für Wahrheit“ und dessen Aufgaben wurden fast identisch für die „Historische Akademie“ übernommen) über Huxleys „Schöne Neue Welt“ und „Logan‘s Run“ (schöner deutscher Titel: „Flucht ins 23. Jahrhundert“) ist hier vieles bunt durchgemischt vertreten. Und natürlich Bradburys „Fahrenheit 451“, denn Will Jones entdeckt eines Tages in seiner Jackentasche einen verbotenen Gegenstand: ein Buch. Auch das Konzept der Oberstadt, wo wie Reichen leben (die freilich samt Tech-Implantaten online sind und schön überwacht werden können) und der Unterstadt, wo es düster ist, wo die Armen nicht vernetzt sind und so in einer gewissen, wenn auch trostlosen Freiheit leben, ist wohlbekannt.
In Will Jones‘ Welt sind Konzepte wie Familie und Freundschaft inzwischen fremd und unbekannt. Man ist mit Androiden – männlichen wie weiblichen – als Partner zufrieden, schließlich können die jederzeit ausgetauscht werden. Die Jugend wächst im Bienenstock heran und wird dort ideologisiert und indoktriniert – mit Fächern wie „Konformität“ und „Historische Kohärenz“ – alles soll eben im freilich trügerischen Einklang sein. Die Herrscher über diese Oberwelt heißen Andy und Carla, erscheinen als überdimensionale Hologramme (siehe Cover) und verkünden nahe Siege in diffusen Kriegen, was natürlich völlig kritiklos bejubelt wird. Auch von Will Jones. Eben bis die Bücher auftauchen. Und damit auch die Frage: Wer steckt sie ihm heimlich zu? Und warum?
Neben der Story um Will und die mysteriösen Bücher dient der Auftakt auch dazu, die dystopische Welt und deren Mechanismen kennenzulernen. Es wird sich zeigen, wie Rodolphe und Griffo in den beiden Folgebänden an Originalität zulegen. Der Belgier Griffo, v.a. bekannt durch seine Historien-Serie „Giacomo C.“ (dt. bei Comicplus, mit Jean Dufaux als Autor), setzt das Geschehen gewohnt realistisch in Szene und benutzt in seiner Kolorierung gerne helle, bläuliche Farbtöne und -abstufungen, die die Kälte und Sterilität der (Ober-) Welt unterstreichen. Trotz, oder gerade wegen der vielen Fremd-Anleihen macht der Auftakt Laune. Band 2 ist für den kommenden April geplant. Der abschließende Band 3 ist jüngst in Frankreich erschienen. (bw)
Utopie, Band 1
Text & Story: Rodolphe
Bilder: Griffo
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
17 Euro
ISBN: 978-3-98721-438-7