
Nach außen hin war Davis Fairfield seiner Tochter Brianna der fürsorgliche Vater. Inzwischen weiß sie: Davis lebte ein zweites Leben als brutaler Serienkiller, der nun im Gefängnis starb und der als der Kannibale von Steel City berühmt berüchtigt ist. Deshalb wird Brianna von der Sensationspresse auf Schritt und Tritt verfolgt. Doch Davis‘ Serienkiller-Dasein war nur die Spitze des Eisbergs. Denn was sie nicht weiß: in gewissen Kreisen, Red Rooms genannt, war ihr Vater als „Dezimator“ unterwegs, metzelte Menschen vor laufenden Kameras und verdiente damit ein Vermögen. Dann verliert Brianna ihren Job – Hilfe und Unterstützung scheint sie nur beim Anwalt ihres Vaters, der nun auch den Nachlass regelt, zu bekommen. Doch der verfolgt eine eigene Agenda…
„Steel City Cannibal“, wo wir noch einmal dem Dezimator, dem heimlichen „Star“ der Reihe, begegnen, ist eine von vier Geschichten dieses letzten „Red Room“-Bandes. Und einmal mehr präsentiert Autor und Zeichner Ed Piskor dabei explizite Grausamkeiten, die zart besaiteten Leserinnen und Lesern auf den Magen schlagen könnten. Die weiteren Episoden: In „Blutiger Ausstieg“ wird der „Hüter der Kryptowährung“ zum Opfer. Einst Influencer für Bitcoin & Co. gab er Anlagetipps und wurde dabei selbst stinkreich. Bis durch den Bitcoin Crash die Red Room Livestreams gestoppt (dort zahlte man natürlich anonym mit der virtuellen Währung) und viele der „Geinfluencten“ um ihre Kohle gebracht wurden. Jetzt rächt sich einer davon. Übel und grausam.
„Der Snuff Freak“: Ein Filmemacher namens Q. Turturro (der natürlich an einen anderen, echten QT angelehnt ist) berichtet über die Historie und Herkunft der Red Rooms, bzw. Snuff-Filme. Er besaß eine Unzahl solcher „Werke“ und bekam daher schließlich massiv Ärger mit Polizei, die seine Sammlung und ihn einkassierte. Jetzt hält er Vorträge und erklärt seiner Hörerschaft, dass schon Thomas Edison als Filmpionier dieses „Genre“ erfunden habe. Dann spannt er einen weiten Bogen über Luis Buñuel („Ein andalusischer Hund“, Stichwort Augenszene), Orson Welles bis zu den Italo-Kannibalen-Filmen der Siebziger Jahre (die angeblich von den echten Snuff-Filmen ablenken sollten). Dabei nimmt Ed Piskor nicht nur Quentin Tarantinos profunde Kenntnis von Exploitation Filmen gekonnt auf die Schippe, sondern auch dessen legendären Fuß-Fetisch.
Zum Schluss kommen die „140 Tage von Sodom“, ein Titel, der natürlich auf den Pasolini Film verweist, bzw. auf die Vorlage von de Sade. Erzählt wird die Geschichte einer jungen Frau, die von ihrer Familie verstoßen und die dann als Opfer für Red Room Filme qualvoll „umgezüchtet“ werden soll und wird. Das Wie und die optischen Details ersparen wir uns hier. Am Ende steht einmal mehr eine bitterböse Pointe. Wie in den beiden Vorbänden wandelt Ed Piskor hier auf einem schmalen Grat. Hält er der zunehmend verrohten Gesellschaft einen blutigen Spiegel vor oder bedient er einfach nur die Splatter-Fraktion? Einerseits zeigt er apokalyptische Brutalitäten, die leider nichts der Fantasie überlassen, dann entlarvt er mit nicht minder ekligen Dialogen in den Chats das Wesen der blutrünstigen Zuschauer.
Ed Piskor wurde der breiten Leserschaft bekannt durch seine Serie „Hip Hop Family Tree“, die mit einem Eisner Award ausgezeichnet wurde. Außerdem veröffentlichte er bei Marvel das viel beachtete „X-Men: Grand Design“ über die Historie der Mutantentruppe. Unter dem Titel „Cartoonist Kayfabe“ beschäftigte er sich gemeinsam mit Jim Rugg („Hulk – Monsterwahnsinn“) in hunderten von Videos mit dem Medium Comic. Am 1. April diesen Jahres nahm sich Ed Piskor das Leben, nachdem ihn zwei Frauen der sexuellen Belästigung und Übergriffe beschuldigten, woraufhin er in kürzester Zeit „gecancelt“ wurde. In einem Facebook Post wies er zuvor die Anschuldigungen vehement zurück. (bw)
Red Room, Band 3: Crypto Killaz!
Text & Bilder: Ed Piskor
116 Seiten in Schwarz-Weiß, Hardcover
Skinless Crow
29,50 Euro
ISBN: 978-3-03963-024-0