Red Room (Skinless Crow)

März 21, 2023
Red Room - The Antisocial Network (Verlag Skinless Crow)

Pentagram Pictures. Der Name eines etwas anderen Filmstudios. Denn was hier produziert und gezeigt wird, ist speziell. Und widerwärtig. Bei Pentagram ist der Tod Methode. Und das möglichst grausam und explizit. Hier werden Menschen gequält, gefoltert und verstümmelt, in Livestreams, in sogenannten Red Rooms, im Dark Net, vor perversen wie gut betuchten Zuschauern, die sich an dem furchtbaren Geschehen ergötzen, per Krypto-Währung finanziert. Als eine perfide Splatter-/Gore-Snuff-/Peepshow, die gegen Kohle auch noch auf die „Wünsche“ der „Kunden“ eingeht. So verdient man bei Pentagram sein Geld, nicht wenig und vollkommen anonym, versteht sich. Aber auch in dieser „Branche“ mit nach oben offener Grausamkeits-Skala gibt es Konkurrenz. So ist die stets komplett maskierte Studio Chefin Mistress Pentagram nicht unglücklich, einen neuen Folterknecht namens Major Slaughter an der Angel zu haben, der sein „Handwerk“ versteht und genießt…

Der Amerikaner Ed Piskor schrieb und zeichnete bereits Graphic Novels – bei Egmont erschien 2014 der Band „Wizzywig“ – und war auch schon für Marvel aktiv („X-Men: Grand Design“). Seine Reihe „Hip Hop Family Tree“ wurde mit dem Eisner Award prämiert. Außerdem ist er Mitbetreiber eines Comickanals auf Youtube. Seine Red Room-Comics, die in diesem Band gesammelt sind, waren lt. seinem Vorwort schon länger geplant, erschienen aber erst während der Corona-Zeit. Natürlich fallen hier zuerst die Grausamkeiten, die Splatter Szenen ins Auge, die so explizit und ausführlich visualisiert werden, dass sie nur schwer zu verdauen sind. Und natürlich drohen bei der vordergründigen Brutalität die Storys ins Hintertreffen zu geraten, was schade ist. Dennoch schafft es Piskor vor diesem Splatter-Hintergrund vernünftige Geschichten zu erzählen, auch über vermeintliche Alltags-Menschen, bei denen sich bodenlose Abgründe auftun.

US-Red Room #4

So haben wir den massiv übergewichtigen Familienvater, der gerade Frau und Tochter verloren hat, der von Kollegen gehänselt wird und der einen ganz speziellen Weg findet, „Dampf“ abzulassen und seiner „Neigung“ nachzugehen. Und über den am Ende noch mehr enthüllt wird. Oder den Arzt, der in Gefangenschaft gezwungen wird, ein kommendes Folteropfer „herzurichten“. Und den kriminellen Informatiker, der erkennen muss, dass sein Quellcode von den Red Rooms benutzt wird. Dann haben wir einen Anwalt, der heimlich für ein Red Room Studio arbeitet. Figuren, die nach außen hin ein redliches Image vertreten, die innerlich aber hoffnungslos degeneriert sind und für Geld alles bereit sind zu tun. So kann man diese Provokation Ed Piskors auch als zynischen Kommentar zur allgegenwärtigen Gewinnmaximierung und über das ungezügelte Internet ohne Schranken und Tabus betrachten. Wenn man will.

Piskors Schwarz-Weiß-Grau Stil zeigt eine Verwandtschaft zu den amerikanischen Underground Comics und ist immer wieder erschreckend detailliert und aufwändig. Seine Gore-Szenen zeigt er meist, wie sie der zahlende Zuschauer sieht: In einem Browserfenster, mit den einschlägigen Chat-Kommentaren am Rand. Der Band ist aufgeteilt in vier Stories, die lose miteinander verknüpft sind, wobei die letzte in ihrem Aufbau (und Original-Cover, das leider nicht mit abgedruckt wird, wie auch ein Variant-Cover, das eine Spawn-Hommage zeigt) an die klassischen EC-Horror-Comics angelehnt ist (siehe Bild rechts). Dass der in der Erstauflage auf 666 Exemplare limitierte Band nur für Erwachsene geeignet ist und dann auch nur für solche, die extreme Gore- und Splatter Darstellungen vertragen können und/oder von einschlägigen Filmen her kennen, versteht sich von selbst. Mir persönlich ist subtiler Horror dann doch lieber… (bw)

Red Room – The Antisocial Network
Text & Bilder: Ed Piskor
152 Seiten in Schwarz/Weiß, Hardcover
Skinless Crow
34,50 Euro

ISBN: 978-3-03963-001-1

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