Bier – Die Graphic Novel (Panini)

August 1, 2024
Bier - Die Graphic Novel (Panini Comics)

Gerstensaft. Hopfen-Kaltschale. A Maß auf d’Wiesn (natürlich mit kurzem a, wer das a lang ausspricht outet sich als Praiß und fliegt aus dem Zelt). Oder, im Crashkurs für jeden Malle-Ausflügler: una cerveza, por favor. Bier gehört zum Kulturgut, liefert sozialen Kitt, überbrückt so manche Differenz – und hat vor allem die lobenswerte Eigenschaft, eine weltweit anerkannte deutsche Spezialität zu sein, an der die Engländer trotz vehementer gegenteiliger Behauptungen unweigerlich scheitern (was kurios ist, da der Entstehungsprozess in weiten Teilen dem britischen Glanzstück Whisky sehr ähnlich ist – dazu gleich mehr). Material genug also für eine graphische Aufarbeitung dieses Phänomens, die unter dem Titel „The Comic Book Story of Beer“ schon seit einigen Jahren im amerikanischen Sprachraum erhältlich ist und nun lobenswerterweise auch auf Deutsch vorliegt.

Die Autoren Jonathan Hennessey und Mike Smith schöpfen dabei aus einem reichen Erfahrungsfundus: Smith z.B. weilte in den späten 80ern als Austauschstudent in Deutschland und lernte dabei ordentliches Bier so zu schätzen, dass er selbst das Brauerhandwerk erlernte und bis heute in diesem Metier tätig ist. Diese breite Kenntnis der Materie setzen die beiden in einem Streifzug durch die Geschichte des Biers um, die in insgesamt acht Kapiteln von den Anfängen im Altertum über den Siegeszug durch die Massenproduktion bis hin zu den modernen Experimenten mit Craftbier eilt. In einer Rahmenhandlung lässt sich dabei ein geneigter Käufer von einem begeisterten Ladeninhaber die unterschiedlichsten Bier-Stile nahebringen, was den bunten Reigen der einzelnen Kapitel eröffnet.

Bier ist quasi flüssiges Brot, lernen wir da, seit jeher gesundheitsförderlich durch weitgehende Kreimfreiheit und dadurch mit das populärste Getränk überhaupt. Schon vor 10.000 Jahren füllte man bierartige Flüssigkeiten in Krüge, Tonscherben von 3000 v.Chr. aus dem schottischen Moor belegen ähnliche Sitten. Mit dem Beginn der sesshaften Landwirtschaft war Getreide besser verfügbar, die frühesten Biere entstanden jahrhundertelang durch schlichtes Einweichen von Brot in Wasser, das anschließend anfing zu gären, was in wenig haltbares, aber immerhin trinkbares Gebräu mündete. Im alten Ägypten, aber auch in anderen Kulturen (ablesbar an Dichtungen wie z.B. dem Gilgamesch-Epos) avancierte Bier schnell zum Nationalgetränk, aber in der Antike trat durch die Dominanz der griechischen und römischen Kultur der an diesen Breiten gut verfügbare Wein den Siegeszug an, während Bier als Getränk der Barbaren galt.

Dennoch pflegte man das Brautum weiter: Gerste wird gemälzt, mit warmem Wasser angeregt, die Maische dann zur Gärung gebracht und dieser Sud (genannt Wort, Würze) dann in einem Bottich geläutert – wobei eifrige Brennerei-Besucher dieses Vorgehen bestens aus der Whisky-Herstellung kennen, wo unweigerlich festgestellt wird: „at this point, we have something like a light beer“, bevor es dann in die Brennblase geht, während Bier mit Hopfen versetzt weiter auf den Weg geht. In der geschichtlichen Perspektive erlitt die Antike mit dem Fall Roms und den Eroberungszügen herbe Rückschläge, technische Errungenschaften gingen in den finsteren Zeiten des Mittelalters unter, aber die Kunst des Bierbrauens dauerte in den Klöstern fort – immerhin galt Bier nahe an der Wasser-und-Brot-Kost des Armutsgelübdes und erwies sich als nahrhaft in der Fastenzeit. So entwickelte sich eine rege Kunst, deren Ergebnisse schließlich auch in den ersten Public Houses, kurz gesagt Pubs, ausgeschenkt wurde…

In dieser unterhaltsam-lehrreichen Mischung aus geschichtlichem Abriss, kurzen Episoden und anschaulicher Darstellung des Bauprozesses selbst in pädagogisch wertvollen Schaubildern schäumt das Werk nur so dahin und baut jede Menge Referenzen auf Popkultur, Film und auch Comics ein – was kein Wunder ist, da Zeichner Aaron McConnell nach eigenen Worten nicht zuletzt durch David Lynchs bizarres Meisterwerk „Blue Velvet“ an die Materie herangeführt wurde, wo sich der durchgeknallte Frank eloquent mit dem schockierten Jeffrey über die Vorzüge von Heineken und Budweiser unterhält. Ob man jetzt die letzte Kraftbier-Bude braucht und ob die Engländer es jemals schaffen werden, einen brauchbaren Gerstensaft zu fabrizieren, mag hier offen bleiben – dennoch bietet dieses Kompendium einen ebenso spannenden wie gewichtigen Streifzug, der Durst auf mehr macht. Zum internationalen Tag des Bieres sagen wir: Prost! (hb)

Bier – Die Graphic Novel
Text & Story: Mike Smith, Jonathan Hennessey
Bilder: Aaron McConnell
180 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
29 Euro

ISBN: 978-3-74163-609-7

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