Inzwischen sind Diting und Kuizhi, die beiden psychopathischen Häscher des Kaisers, Daoma und seinen Mitstreitern dicht auf den Fersen. Die haben es geschafft, das Scharmützel mit den Wachen zu überstehen und in der Menge in der Oasenstadt Dunhuang unterzutauchen. Und damit belässt es der aktuelle Band der Reihe erst einmal. Denn nun geht es in die hohe Politik, im Rahmen eines massiven Geschichtsabrisses. Die Story widmet sich den beiden eigentlichen Gegnern, Großgeneral Yuwen Shu und Pei Shiju, Minister zur Gelben Pforte, die eine ungewöhnliche Allianz eingehen.
Letzterer will unbedingt den (wilden) Westen jenseits der Mauer wieder für den Handel erschließen, in erster Linie die drei Haupthandelsrouten in Richtung Kaspisches Meer. Wie bei einem Flickenteppich herrschen etliche Stammeskönige in diesem riesigen Gebiet, was den Handel äußerst erschwert und behindert. Pei Shiju versuchte sein Ziel mit Diplomatie zu erreichen, was jedoch nicht gelang (und in Rückblenden geschildert wird). Weshalb er jetzt die Dienste von Yuwen Shu benötigt…
Bis auf die letzten beiden Kapitel (der Band beinhaltet die Kapitel 95 bis 102 des noch immer epischen dritten Aktes) spielen Daoma, Zishilang und ihre Gruppe hier keine Rolle. Stattdessen folgen wir den Ausführungen von Pei Shiju in der Hauptstadt Chang‘an, seine gescheiterten Pläne hinsichtlich der Wiederbelebung der Handelswege im komplizierten Machtgefüge des Westens, als er dem wortkargen Großkhan Ashina Daman vergeblich versucht, eine Win-Win-Situation schmackhaft zu machen (das daraus resultierte Massaker konnten wir bereits in Band 7 „bestaunen“).
Noch schlimmer ist, dass der Großkhan nun nach Norden marschiert – offenbar dürstet er nach Rache -, genau dorthin, wo die große Inspektionsreise des Kaisers geplant ist. Was natürlich einen Affront und eine Gefahr darstellt. Der Kaiser selbst wiederum räumt radikal mit potenziellen Widersachern in den eigenen Reihen auf, was man später euphemistisch „Reformen“ nennen wird.
Der Ausflug in die Historie zeigt, wie komplex die Story inzwischen ge- und verwoben ist und dient wahrscheinlich dazu, den kommenden Konflikt vorzubereiten und die Weichen für die weitere Handlung zu stellen. Mit vergleichsweise wenig Action. Die kommt aber noch, in gewohnt furioser Art und Weise, nämlich am Ende des Bandes, als wir endlich Daoma und Zishilang wieder treffen, die dringend Geld für die weitere Reise nach Chan’an benötigen (die immerhin noch 60 Tage dauern soll).
Vorher beeindrucken die Zeichnungen mit ganz- oder doppelseiteigen Panels, die beispielsweise den riesigen Tross des Kaisers bei seiner Inspektionsreise und den schon fast grotesk gigantischen fahrenden Palast des Kaisers zeigen. Und damit dessen weltliche Allmacht. Wer jetzt in die Serie einsteigen will, ist natürlich hoffnungslos verloren. Wer von Anfang an dabei ist, wird auch von diesem Band beeindruckt sein, auch wenn er einen ganz anderen Charakter aufweist. (bw)
Die Klingen der Wächter, Band 10
Text & Bilder: Xu Xianzhe
256 Seiten in Schwarz-Weiß, Softcover
Chinabooks
14,90 Euro
ISBN: 978-3-03-887012-8
