Dunwich, ein kleines Dorf nicht weit weg von der Stadt Arkham in Massachusetts, hat nicht das beste Image. Nicht nur, dass es ziemlich heruntergekommen ist, auch Satanismus und okkulte Riten sollen dort – wir schreiben das Jahr 1923 – angeblich noch praktiziert werden. Dr. Henry Armitage von der Miscatonic University in Arkham treibt die Neugierde in den schäbigen Ort. Denn ein gewisser Wilbur Whateley hat ein ungewöhnliches Anliegen an die Universitätsbibliothek gerichtet: Er möchte die überaus seltene lateinische Ausgabe des Necronomicons ausleihen, doch das wertvolle Buch darf die Bibliothek nicht verlassen. Als Armitage auf der verwahrlosten Farm der Whateleys ankommt, muss er erstaunt feststellen, dass Wilbur noch ein kleiner Junge ist.
Szenen- und Zeitenwechsel: Im Februar 1913 bringt Lavinia Whateley, stets bleich und mit großen aufgerissenen Augen, einen Sohn zur Welt. Der Vater ist – zumindest den Dorfbewohnern – unbekannt, was natürlich einem Skandal gleichkommt. Wilbur, so der Name des Kindes, wächst erstaunlich schnell heran, und fällt nicht nur deshalb immer wieder auf. So erschießt er zwei Hunde, die ihn unerklärlicherweise angreifen und spricht dabei Worte in einer unbekannten Sprache. Im Dorf tuschelt man längst, wilde Gerüchte ranken sich rund um die Whateleys. Dann, 1924 stirbt der alte Whateley und überträgt auf dem Sterbebett seinem Enkel Wilbur eine schaurige Aufgabe: Die Rückkehr der großen Alten vorzubereiten…
Schon längst hat sich der Mangaka Gou Tanabe mit seinen Adaptionen von H.P. Lovecrafts bekanntesten Werken einen Namen gemacht. Der Carlsen Verlag veröffentlichte bis dato acht Bände, wobei „Berge des Wahnsinns“ als Zweiteiler angelegt ist. „Das Grauen von Dunwich“ erschien erstmals als „The Dunwich Horror“ im Pulp-Magazin „Weird Tales“ im Jahre 1929 und ist Teil des später berühmt gewordenen Cthulhu-Mythos. Gou Tanabe adaptiert die Geschichte in insgesamt drei Bänden auf über 650 Seiten. Dabei streut er immer wieder Rückblenden ein und wechselt zwischen den Zeiten. Meist konzentriert sich die Handlung auf die Whateleys und die Dorfbewohner, die seltsame Begegnungen und Ereignisse zum Besten geben, in denen ein mit Menhiren gesäumter ehemaliger Kult-Hügel namens Sentinel Hill oft eine Rolle spielt.
Dr. Armitage und seine beiden Kollegen Rice und Morgan von der berühmt fiktiven Miscatonic University, die später noch eine Rolle spielen werden, treffen wir nur kurz. Ansonsten dräut wieder ein noch nicht näher bestimmtes Unheil, dass sich ganz Lovecraft-typisch langsam aber sicher durch diverse Anzeichen ankündigt: Kühe mit seltsamen Verletzungen, das diffuse Grollen aus den Bergen, das Stampfen im verrammelten Obergeschoss der Whateley-Farm. Und selbstverständlich stinkt es ständig bestialisch. Dazu die drei gespenstischen Whateleys: Der Großvater, mürrisch und seltsam orakelnd. Seine blasse Tochter Lavinia mit ihren hexengleichen Auftritten und dann natürlich Wilbur, der übernatürlich schnell heranwächst und der mit einer gruseligen Aura versehen ist.
Der Band kommt wie immer im Manga-typischen Kleinformat daher (wie auch in japanischer Leserichtung), ist jedoch auf hochwertigem Papier gedruckt. Tanabe beeindruckt dazu einmal mehr mit seinen überbordenden feinen Zeichnungen, die auch gerne Doppelseiten einnehmen – wieder überaus detailliert und bedrohlich, versteht er es doch sogar, einen Weihnachtsbaum wie ein diffuses Monster aussehen zu lassen. Somit ist der neue Lovecraft-Horror angerichtet. Band 2 ist für den Juli geplant, der Abschluss erfolgt dann im Oktober. (bw)
H.P. Lovecrafts „Das Grauen von Dunwich“, Band 1
Text & Bilder: Gou Tanabe
216 Seiten in Schwarz-Weiß, Softcover
Carlsen Verlag
14 Euro
ISBN: 978-3-551-80112-8