Nach dem hochexplosiven Finale des letzten Bandes ist den fünf illustren Damen, die inzwischen steckbrieflich, und das tot oder lebendig, gesucht werden, tatsächlich noch die Flucht gelungen. In einer verlassenen Mine finden die Ladies with Guns – und nun auch Outlaws – vorerst Unterschlupf, verfolgt von diversen Kopfgeldjägern, die vermeintlich leichte Beute wittern. Doch Hilfe tut Not, denn Daisy wurde ernsthaft verletzt – ihr Bein muss amputiert werden. Und um das für die Operation notwendige Material zu besorgen, muss man erneut in die Stadt, wieder einmal zu Jims Drugstore. Was alles andere als glatt läuft, denn Kathleen, Chumani und Cassie fliegen schnell auf und müssen sich einmal mehr rabiat und unkonventionell wehren. Aber auch der aalglatte Mexikaner, der von Abigails ehemaligem „Besitzer“ beauftragt wurde, lässt nicht locker und heftet sich wieder an die Fersen der Ladies…
Kathleen aus London, die Indianerin Chumani, die entlaufene Sklavin Abigail, Ex-Lehrerin Daisy und die Saloon-Hure Cassie – fünf in jeder Beziehung völlig unterschiedliche Frauen, die sich zufällig begegnet sind und die dennoch wie Pech und Schwefel zusammenhalten, v.a. wenn es gegen die Männerwelt geht, was meist auch der Fall ist. Und die in Notsituationen, die natürlich immer wieder vorkommen, gerne zu unkonventionellen, ja rabiaten Mitteln greifen. Waren das im Finale des Auftaktbandes ironischerweise noch die Haushaltswaffen einer Frau, wie Stricknadel, Kuchen und Besen, kommen nun endlich die titelgebenden Guns zum Einsatz. Und das gleich heftig in Gestalt einer veritablen Gatling Gun. Auch danach haben die fünf keine Ruhe. Und keine Wahl. Der Winter steht an und sowohl die Kasse als auch die Mägen sind leer. Also beschließt man dem Ruf gerecht zu werden und plant einen Bankraub.
Der zweite Band der auf drei Alben angelegten Reihe ist zweigeteilt. Die erste Hälfte spielt im Versteck der fünf Frauen bis zur Amputation, danach folgt ein Zeitsprung. Wir sehen, dass Daisy die riskante Operation tatsächlich überstanden hat. Inzwischen hat man mit einem abgelegenen, ausrangierten Eisenbahnwaggon auch eine neue Bleibe gefunden. Der Banküberfall ist dann originell inszeniert: Zuerst werden die verschiedenen Herangehensweisen durchgespielt, visuell für uns als Leser demonstriert mit imaginären Statisten in einer imaginären Bank. Dann wird es Ernst und einmal mehr ganz anders. Überhaupt zeichnen trockener Humor, Sarkasmus, aber auch Situationskomik die Story aus, die dadurch ihren Bierernst immer wieder angenehm verliert.
Dazu gesellen sich originelle Übergänge und Überschneidungen. Inhaltlich hat sich Autor Olivier Bocquets (u.a. „FRNCK“, erscheint ebenfalls bei Splitter/toonfish) Personen-Ensemble gefestigt – alle aus dem Erstling sind wieder an Bord, inkl. Sheriff John Clinton und dem namenlosen Mexikaner. Auch zeichnerisch schöpft der Band aus dem Vollen. Action wird mit gerne überdimensionalen Soundwords rasant inszeniert, dazu kredenzt Zeichnerin Anlor („Unterm Sternenzelt“) in ihrem ganz eigenen Stil wieder ausladende Panels und Panoramen. Und was es dem ominösen Salzfass auf sich hat, das schon in Band 1 eine Rolle spielte und das Kathleen unbedingt wieder haben will, erfahren wir auch. Mit dem abschließenden Band 3 wird es noch ein wenig dauern – der ist auch in Frankreich bei Dargaud noch nicht erschienen. (bw)
Ladies with Guns, Band 2
Text: Olivier Bocquet
Bilder: Anlor, Elvire de Cock (Farben)
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
18 Euro
ISBN: 978-3-96792-393-3
