1629, Band 1 (Splitter)

Juni 27, 2023
1629, oder die erschreckende Geschichte der 
Schiffbrüchigen der Jakarta, Band 1 
(Splitter Verlag)

Amsterdam, gegen Ende des Jahres 1628: Francisco Pelsaert, ein Oberkaufmann der Niederländischen Vereinigten Ostindien-Kompanie (VOC) bekommt eine zweite Chance, nach dessen Scheitern, mit dem Großmogul in „Indien“ gewinnbringend Handel zu treiben. Dazu stellt man ihm nun die stolze Summe von 300.000 Gulden in Münzen und Schmuck zur Verfügung. Und natürlich ein Schiff: die just fertiggestellte Galeone namens „Jakarta“. Gerade einmal 120 Tage bleiben ihm, um sein Ziel zu erreichen. Eine strenge Vorgabe, die eingehalten werden muss, ansonsten macht die Kompanie Verlust. Eile ist also geboten. Als Kapitän fungiert der erfahrene aber grobschlächtige Ariaen Jakobs – den Pelsaert nicht leiden kann (und umgekehrt) und als Stellvertreter Pelsaerts und Unterkaufmann heuert man den Apotheker Jeronimus Cornelius an (Ober- und Unterkaufmann hatten in der VOC Befehlsgewalt über den Kapitän). Und Madame Lucretia Hans gehört zu den wenigen Passagieren – die Adelige wurde von ihrem Mann nach Jakarta auf Java „befohlen“.

Die übrige Besatzung, die Seeleute auf der Jakarta, sind dagegen fast allesamt aus dem Bodensatz der Gesellschaft rekrutiert. Diebe, Mörder und allerhand zwielichtige und rohe Gestalten tummeln sich hier, die eine solch waghalsige Reise als womöglich letzten Ausweg sehen. Kontakte zwischen hochrangigen Passgieren und der Mannschaft sind demnach auch strengstens verboten. Selbst neugierige oder versehentliche Blicke der gemeinen Seeleute auf die Passagiere werden drakonisch bestraft, die Regeln der VOC sind auch auf diesem Schiff ehernes Gesetz. Überhaupt führt Pelsaert von Anfang an ein strenges Regiment. Die Disziplin und damit auch der gesellschaftliche Graben müssen auf der entbehrungsreichen Fahrt um jeden Preis aufrecht gehalten werden. Dennoch wird der Neid – hier die Mannschaft mit ihrem Eintopf-Frass voller Maden, dort die dinierende feine Gesellschaft – immer größer.

1629, oder die erschreckende Geschichte der
Schiffbrüchigen der Jakarta, Band 1 - Vorzugsausgabe (Splitter Verlag)

Ein Schiff, getrieben von Wind und Gier. Gier auf Seiten der Oberen, die sich maximalen Profit von der Unternehmung versprechen. Sei es die VOC oder Pelsaert, der für jeden Tag, den er schneller an sein Ziel gelangt als in der ohnehin schon knappen, vorgegebenen Zeit, eine persönliche Prämie erhält. Und Gier seitens der elendigen Mannschaft, die sich den strengen Regeln und Gesetzen an Bord bedingungslos unterwerfen muss und für die der vermeintliche Reichtum in Kisten verpackt nur Meter entfernt ist und dennoch gefühlt eine ganze Welt. Der gesellschaftliche Mikrokosmos an Bord, die Enge und das Elend (nicht nur) der Mannschaft werden von Autor Xavier Dorison und Zeichner Thimothée Montaigne eindringlich als allgegenwärtiges Problem geschildert: Auspeitschungen, Matrosen, die sprichwörtlich in ihren eigenen Fäkalien schlafen und menschliche Verrohung sind hier nur Beispiele.

Die harte Hand Palsaerts ist das eine. Aber das Unheil (wer sich die Spannung erhalten will, verzichtet auf das Lesen des Wikipedia Eintrags zu dieser „Reise“) hat noch eine Geheimwaffe in petto in der Person des Apothekers Jeronimus Cornelius, der offenbar von Beginn an nichts Gutes im Schilde führt und der schon fast dämonische Züge verliehen bekommt (nicht umsonst lautet der Untertitel des Bandes „Der Apotheker des Teufels“, wir verraten hier als nicht zu viel). Ganz langsam, aber stetig und raffiniert treibt Cornelius einen Keil in das ohnehin poröse Gefüge des Schiffes und seiner Besatzung, bis die Katastrophe ihren Lauf nimmt – mehr dazu im abschließenden Band 2, der wohl noch um einiges heftiger sein wird, was das Vorwort und das ausgegebene Motto von Xavier Dorison bereits anklingen lassen.

Vielleicht auch um eine Distanz zu den historischen Ereignissen zu schaffen und um aufzuzeigen, dass die Geschichte in Teilen eine Interpretation dieser tatsächlichen Geschehnisse, wie auch der beteiligten Personen ist, über die vieles nicht bekannt ist, heißt das Schiff nicht wie im Original Batavia (so der holländische Name der indonesischen Hauptstadt), sondern Jakarta. Zeichner des gewaltigen Bandes ist Thimothée Montaigne, der u.a. „Das Dritte Testament: Julius“ in Szene setzte und schon dort mit Dorison zusammenarbeitete. Sein realistischer Stil, seine ungeheuer kraft- und prachtvollen Bilder ähneln denen von Mathieu Lauffray (Montaigne kolorierte Teile von dessen „Long John Silver“) oder auch von Alex Alice. Der Splitter Verlag bietet neben der Normalausgabe (die ist schon opulent, siehe auch das wunderbare Cover) eine auf 666 Stück limitierte Vorzugsausgabe (siehe rechts) samt Extraseiten und Kunstdruck an. Der kommende zweite Band wird dann das Drama beenden. (bw)

1629, oder die erschreckende Geschichte der
Schiffbrüchigen der Jakarta, Band 1

Text & Story: Xavier Dorison
Bilder: Thimothée Montaigne, Clara Tessier (Farben)
136 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
35 Euro

ISBN: 978-3-98721-187-4

Tags: , , , , , , , ,

Comments are closed.