Manhattan, März 1997. Irgendwie gelingt Loretta Hayes mit ihren beiden Kindern Josh und Meg gemeinsam mit der namenlosen Ärztin die Flucht vor den unbekannten Häschern, die ihr verstorbener Mann Darcy seinerzeit die Arboristen nannte. Großvater Judd jedoch bleibt verletzt zurück. Meg leidet an einer seltsamen Krankheit, die eher einer Transformation gleich kommt, welche sie mehr und mehr zu einem Baum werden lässt. Als unvermittelt an Megs Füßen Wurzeln ausschlagen, mahnt die Ärztin, die offenbar genau weiß, was mit Meg los und was zu tun ist, zur Eile. Derweil trotzt Judd seinen Peinigern, die nach wie vor hinter Meg her sind und um jeden Preis verhindern wollen, dass sie weiter „baumt“. Tatsächlich kann Judd sich befreien, doch gelingt es ihm nicht, seine Verfolger dauerhaft abzuschütteln…
Im zweiten und damit schon vorletzten Band der Reihe nimmt die Story gehörig an Fahrt und Tempo auf und gewinnt an Dramatik, in gleichem Masse, wie die Anzahl der Schauplätze und Handlungsebenen zunimmt. Und das natürlich ohne finale Erklärungen zu liefern. Fest steht nur: die Zukunft der Welt steht auf dem Spiel. Das wissen und sehen wir auch in den kurzen Ausflügen in eine Zeit, die fünf Jahre nach den Ereignissen um Meg spielt. Damit legt Star-Autor Jeff Lemire (u.a. „Gideon Falls“, „Black Hammer“) für uns fest, wie die Zukunft aussehen wird. Aber wie es dazu kommt, bleibt vorerst noch nebulös. Insgesamt geht Lemire mit seinen Charakteren ganz und gar nicht zimperlich um. So zwingt er Mutter Loretta, harte Fakten unvermittelt anzuerkennen, ganz zu schweigen von dem Schicksal Megs, das wir hier nicht preisgeben wollen. Und die Verfolger, die Arboristen, bleiben immer am Ball und gönnen der Familie Hayes keine Ruhe.
Heimlicher Star des Bandes ist wieder Opa Judd, der rüstige Rentner-Rambo, der seine Familie, obwohl man dereinst im Streit auseinander ging, um jeden Preis schützen will und der dabei keine, aber auch wirklich nicht die geringsten Skrupel kennt. Und der folglich im Mittelpunkt fast aller Action-Szenen steht. Einige Aspekte der Story werden näher beleuchtet, beispielweise die Beziehung von Darcy zu seinem Vater Judd, die in einer Rückblende gezeigt wird. Oder die noch nicht näher bestimmte Traumebene, die bereits in Band 1 auftauchte. Zeichner Phil Hester inszeniert die Story konsequent in seinem zackig-nervösen, bisweilen skizzenhaften Stil, der besonders in den Action-Sequenzen trefflich das Geschehen einfängt und von dem man sich nicht abschrecken lassen sollte. Denn hier zählt gleichermaßen die Story, die in diesem Band um einiges zulegt. Der abschließende dritte Teil mit den US-Heften 9-12 kommt dann im März nächsten Jahres. (bw)
Family Tree, Band 2: Samen
Text: Jeff Lemire
Bilder: Phil Hester, Eric Gapstur, Ryan Cody
96 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-96792-041-3