Detroit, Michigan. Eine Serie seltsamer Vorfälle gibt der Polizei Rätsel auf: der Fund einer verbrannten Leiche, der die Ringfinger fehlen und die ansonsten Merkmale aufweist, welche man nicht unbedingt einem Menschen zuordnet, ist da nur der Anfang. Mit den Fällen beauftragt ist Detective John Brandt, dem mit Charlene „Charlie“ Dubowski eine neue Partnerin zugewiesen wird. Brandt ist ein knorriger Einzelgänger, der mit seiner jungen Kollegin, die gerade erst zum Detective befördert wurde, wenig anzufangen weiß. Als die beiden zu einer Bruchbude gerufen werden, wo ein vermeintlicher Irrer, zwischen zwei Wänden eingeklemmt offenbar verzweifelt seine Hausspinne sucht, eskaliert die Situation. Kurz darauf wird Charlie mit einer neuen Droge konfrontiert, die hochgradig abhängig macht und die in der Stadt bereits wie ein Fieber grassiert: Spider!
Autor Christophe Bec kombiniert in seinen Serien gerne Science Fiction mit Mythen und alten Legenden. In „Spider“, seinem neuen Zweiteiler, den er gemeinsam mit Gilles Daoust schrieb, verzichtet er zwar auf Science Fiction Elemente, legt der Story aber ganz offensichtlich einen Mythos zugrunde, wie schon die ersten Seiten vermuten lassen. Tatsächlich ist Anansi im westafrikanischen Raum – so verrät uns Wikipedia – der Gott des Schabernacks, ein Gauner, der auch als Spinne beschrieben wird. Und Spinnen bevölkern zuhauf die Seiten des Bandes, wobei weder Arachnophobiker noch Spinnen-Fans so richtig zufrieden gestellt werden. Denn – ohne jetzt zu viel Preis zu geben – es wird schon eklig. Einerseits sind da die seltsamen, erst unerklärlichen (Vor)Fälle, wie entstellte Leichen oder Kannibalismus. Dann sind die Täter (?) seltsam degeneriert und körperliche Wracks, die mehr Zombies als Menschen gleichen. Und schließlich die Droge, die mehr und mehr im Mittelpunkt steht und deren „Einnahme“ eine gewisse Überwindung kostet… Ein pervertiertes Wonderland – worauf der Titel des Bandes hinweist.
Die Geschichte um Spider und die beiden Polizisten geizt nicht mit Schockmomenten, wobei deren plakative Darstellung immer wieder droht auf Kosten der Story zu gehen. Über die beiden völlig verschiedenen Detectives würden wir gerne mehr erfahren, doch dazu ist kaum Zeit, denn die Story schreitet schnell voran, wobei sich Charlie, offenbar von Schuldgefühlen belastet, schnell vom Neuling zur mutigen Ermittlerin mausert, die sowohl der neuartigen Droge als auch den uner- und geklärten Vorfällen bald näher kommt als ihr lieb ist. Die heruntergekommene Auto- und Industriestadt Detroit erweist sich als ideale Kulisse für die düstere Story dieses Horror-Thrillers, der aus der gleichen Schublade stammt, wie „Sieben“ oder „Das Schweigen der Lämmer“. Polizisten auf Abwegen und ein mystisch verklärter verbrecherischer Horrortrip, der hier noch mit Drogen angereichert wird und nicht mit expressiven Schockelementen geizt.
Welche Richtung die Story am Ende einschlägt und wie und ob sich Charlie dem Einfluss der Droge entziehen kann (oder will?), wird sich im zweiten und abschließenden Band zeigen. Zeichner Stefano Raffaele, der mit Christophe Bec bereits bei zahlreichen Projekten zusammen arbeitete (u.a. „Olympus Mons“, „Pandämonium“), packt die Handlung derweil in gewohnt realistisch klare, unterkühlte Bilder, die teilweise großformatig (auch über Doppelseiten hinweg) die morbide Atmosphäre, die in den zahlreichen verfallenen, verlassenen und damit trostlosen Handlungsorten der ehemals blühenden Autostadt spielt, noch unterstreichen. Der abschließende Band ist in der Mache und soll in Frankreich bei Soleil demnächst erscheinen. Ein Deutscher Veröffentlichungs-Termin bei Splitter steht noch nicht fest. Bis dahin kann man gerne auf andere Bec-Serien ausweichen. Auch gerne mit Science Fiction. Die Auswahl ist ja groß genug. (bw)
Spider, Band 1: Rabbit Hole
Text: Gilles Daoust, Christophe Bec
Bilder: Stefano Raffaele
56 Seiten, Hardcover
Splitter Verlag
16 Euro
ISBN: 978-3-96219-555-7