Tim und Struppi auf dem Mond (Carlsen)

Juli 19, 2019
Tim und Struppi auf dem Mond (Carlsen Verlag)

Lange bevor Neil Armstrong und Edwin Aldrin mit Apollo 11 ihren Adler im Meer der Ruhe landeten und die ersten historischen Schritte auf dem Mond machten, die nun ihren 50. Jahrestag feiern, brachen die berühmtesten franko-belgischen Comic-Heroen in Richtung des Erdtrabanten auf. Tim und Struppi betraten bereits 1954 den Mond, in dem Zweiteiler mit den beiden Alben „Reiseziel Mond“ (1953, „Objectif Lune“) und „Schritte auf dem Mond“ (1954, „On a marché sur la Lune“). Das war nochmal vier Jahre, ehe überhaupt mit Sputnik 1 der erste Satellit um die Erde kreiste. Und die NASA gab es noch gar nicht. Wohl aber zahlreiche Science Fiction Filme, darunter etliche B-Heuler, die damals „In“ waren und in denen die Invasionsängste des Kalten Krieges verarbeitet wurden. Auch Hergé, der Schöpfer der beiden Figuren, widmete sich dem gerade beliebten Thema. Allerdings ging er es weit sachlicher an, als in den meist reißerischen US-Streifen. Sachlicher und wissenschaftlicher. Ohne Aliens und fliegende Untertassen, dafür mit Risszeichnung der Mondrakete:

Professor Bienlein arbeitet für die syldavische Regierung in Osteuropa an einem Mondprojekt. Dazu wurde im Gebirge ein Sperrgebiet mit einer riesigen Forschungsanlage errichtet, die auch als Weltraumbahnhof dient. Natürlich sieht Bienlein Tim und Kapitän Haddock als Astronauten vor, die jedoch der Sache erst skeptisch gegenüber stehen. Schon bald wird klar, dass es einen Verräter, bzw. Spion in den eigenen Reihen geben muss, der die Pläne der Mondrakete nach außen an eine fremde Macht reichen will. Als die erste, noch unbemannte Versuchsrakete den Mond umkreist und anschließend per Funk gekapert wird, droht das Projekt zu scheitern. Dennoch machen sich Tim, Haddock, Bienlein (und ja, auch Struppi) auf – bald auch unterstützt durch die obligatorischen Schulze und Schultze –in Richtung Mond. Und auch dort ist ihr Abenteuer noch lange nicht zu Ende, denn ein alter Feind ist ebenfalls an Bord…

Zum Anlass des 50. Jahrestags der ersten Mondlandung erscheinen die beiden Alben hier erstmals in einem ansprechenden Hardcover-Band als Doppelalbum. Wie genau es Hergé damals mit den wissenschaftlichen Umständen meinte, zeigen die technischen Belehrungen zu Beginn des Bandes, als Bienlein u.a. den Raketenantrieb erklärt. Die Reise sollte so realistisch wie irgend möglich geschildert werden. Von seiner Science Fiction Thematik abgesehen bietet der Doppel-Band ansonsten alle Zutaten, die man von einem Tintin-Abenteuer erwartet – im Guten wie im Schlechten. Das Stammpersonal ist komplett an Bord (im wahrsten Sinne des Wortes), ebenso ein nicht unbekannter Bösewicht. Die üblichen Klamauk-Szenen und Slapstick-Einlagen werden wieder geboten – wobei Bienleins Schwerhörigkeits-Gags aufgrund eines Hörgeräteinsatzes gottlob bald wegfallen. Die ausführliche Hampelmann-Szene im ersten Teil mit einem ungewohnt resoluten und eskalierenden Bienlein und dessen anschließender Amnesie macht dagegen Laune.

Skurril ist natürlich auch der Raumanzug für Struppi, der bei dem Abenteuer auf dem Mond natürlich nicht fehlen darf. Bekanntlich ließ sich Hergé bei seiner Geschichte und deren technischen Details u.a. von Fritz Langs Stummfilm „Frau im Mond“ von 1929 inspirieren; und das ikonische Design der Mondrakete, ganz ohne Antriebsstufen, samt rot-weiß kariertem Anstrich, erinnert natürlich an Wernher von Brauns Aggregat 4, das die Nazis dann bald in V2 umbenannten. Ein schöner Klassiker, den man in dieser gelungenen Aufmachung gerne wieder lesen kann. Mir persönlich sind Tims Abenteuer auf der guten alten Erde aber lieber, trotz der fantastischen und fantasievollen Darstellungen einer zerklüfteten Mondlandschaft. (bw)

Tim und Struppi auf dem Mond
Text & Bilder: Hergé, Studio Hergé
128 Seiten, Hardcover
Carlsen Verlag
20 Euro

ISBN: 978-3-551-73347-4

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