Die Erektion, Band 1 (Splitter)

März 12, 2018

Paris in der Vorweihnachtszeit. Lea und Florent leben in einem schicken Viertel, in einer altehrwürdigen Wohnung mit hohen Wänden und Stuck verzierten Decken. Sie sind unverheiratet, haben zwei Kinder. Die sind heute außer Haus. Warum auch immer, denn heute ist Leas Geburtstag, der im kleinen Kreis gefeiert wird. Dazu haben Lea und Florent ein befreundetes Paar eingeladen: Alexandra und Jean-Fabrice. Der Abend scheint seinen üblichen, routinierten Lauf zu nehmen, geprägt von Smalltalk, Sekt und Häppchen. Bis die beiden Gäste überraschend bekanntgeben, dass sie sich trennen werden. Als dann Lea kurz darauf in der Hose ihres Lebensgefährten eine Regung ertastet, die sie sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erklären kann und dann auch noch völlig falsch interpretiert (tut sie das?), ist der Abend endgültig passé. Und eine veritable Beziehungskrise scheint ihren Lauf zu nehmen…

In Jims neuem Beziehungs-Zweiteiler dreht sich alles rund um das Alter bzw. das Älterwerden – nicht, wie man meinen möchte, um Florents titelgebende Regung, die aufgrund ihrer Standhaftigkeit eine gewisse Slapstick-Komponente einbringt. Lea, wie auch ihre Freundin Alexandra sind beide 48. Beide sind hübsch, schlank und gepflegt, salopp möchte man sagen, sie sind „gut in Schuss“. Trotzdem ist das Alter ein Thema, das die Gespräche von Beginn an immer wieder streift. Und schließlich, als Lea und Florent wieder alleine sind, auch bestimmt. Zuerst schiebt Lea die Erektion ihres Lebensgefährten auf die durchaus reizende Erscheinung Alexandras. Eifersucht ist Trumpf, wobei Lea gegen die sachlich vorgebrachten Argumente Florents immun zu sein scheint.

Dann gibt dieser den wahren Grund seiner „Standhaftigkeit“ preis: Zur Feier des Tages (und ohne groß zu überlegen) hat er sich in der Apotheke eine Packung Viagra besorgt und sich gleich mal die maximale Dosis reingepfiffen, um Lea ganz naiv an ihrem Ehrentag dauerhaft beglücken zu können. Die – kaum beruhigt hinsichtlich ihrer Eifersucht auf Alexandra – fühlt sich vom Regen in die Traufe bugsiert: sie fühlt sich herabgesetzt und gedemütigt. Ihre Rückschlüsse: Laurent braucht also Chemie, ihre „natürlichen“ Reize reichen also nicht mehr aus, um ihn zu stimulieren. Die Beziehung, die anfangs harmonisch und bestenfalls ein wenig routiniert erscheint, bekommt mehr und mehr Risse. Dabei wirkt es als würde sich Lea immer mehr hineinsteigern und sich auf ihre Sicht der Dinge versteifen (jaja, Wortspiel…), während Florent sich mit jeder Entgegnung immer tiefer in den Beziehungs-Schlamassel wühlt.

Wer jetzt hier angesichts des Titels Schmuddel-Niveau oder gar Fäkal-Humor erwartet, liegt völlig falsch und kennt Jims (d.i. Thierry Terrasson) letzte Alben nicht. Der fungiert hier wieder nur als Autor und arbeitet nach dem Zweiteiler „Helena“ ein weiteres Mal mit Zeichner Lounis Chabane zusammen (ihre Zeichenstile sind durchaus vergleichbar). „Die Erektion“ präsentiert er als Kammerspiel in zwei Teilen. Der erste Part hier spielt ausschließlich in der Wohnung von Lea und Florent, binnen einer Nacht und mit Dauerständer. Die Dialoge sind geschliffen, nachvollziehbar und steuern auf eine innere Krise zu. Am Ende schlafen die beiden getrennt, bis mitten in der Nacht die Türklingel ertönt und eine weitere Überraschung für den im September erscheinenden abschließenden Band 2 für Zündstoff sorgen dürfte. Ein charakteristischer Jim-Titel (nach der Kurzgeschichten-Sammlung „Die schönen Momente“) in großzügigen, realistischen Bildern, treffenden Mimiken und Dialogen. Eben wie „knallhart“ aus dem Leben gegriffen. (bw)

Die Erektion, Band 1
Text: Jim
Bilder: Lounis Chabane
72 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
16,80 Euro

ISBN: 978-3-96219-024-8

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