Warum heulen Wölfe? Und wieso explodieren Schafe? Das sind essentielle Fragen, mit denen sich Band 3 der wunderbaren Mantel-und-Degen-Mittelalter-Fantasy-Hunde-Saga um den Terrier Axis und den Windhund Atlas beschäftigt. Wobei zumindest die letzte Frage einmal mehr ungeklärt bleibt. Muss sie auch, denn die Tatsache, dass Schafe explodieren und dadurch auch perfekt als Waffe eingesetzt werden können, dient einmal mehr als wunderbarer Running Gag. Zumindest im ersten Teil des Bandes. Denn dort herrscht Krieg. Am Ende von Band 2 wurden die beiden unzertrennlichen Hundefreunde unter falschem Vorwand auf ein Schiff gelockt, das sich als Teil einer riesigen Streitmacht entpuppte. Atlas und Axis sind nun Soldaten wider Willen und sollen helfen, die Makas zu besiegen, ein räuberisches Hundevolk, das an den Küsten mordet und plündert. Nachdem die mächtige Maka-Festung gesichtet ist, landet die Flotte und man baut riesige Belagerungstürme für die hohen Burgmauern. Der Angriff beginnt und hier kommen auch unsere Schafe zum Einsatz, die von Katapulten abgefeuert oder als Rammbock (im wahrsten Sinne des Wortes) zweckentfremdet werden.
Als die Schlacht immer brutaler und verbissener geführt wird, beschließen die beiden Freunde, sich mit Hilfe einer List aus dem Staub zu machen. Das gelingt halbwegs. Immer weiter geht die Flucht ins Landesinnere – wer den Kampf und damit den Krieg gewinnt, erfahren wir vorerst noch nicht. Bald treffen Atlas und Axis auf einen Wolf, offenbar einen harten Kerl, der dann aber mit ihnen sein Essen teilt. Und seine verblüffende Lebensgeschichte erzählt. Denn Volk, so der Name des einäugigen Wolfes, wuchs als Waise zuerst bei Hunden, dann bei Ziegen auf und wurde jeweils als deren Sohn angenommen. Wurde seine Hundefamilie dann von Makas niedergemetzelt, tötete Volk später seine Ziegen-Eltern selbst, nachdem seine wahre Natur zum Vorschein kam. Als Wolf, der sich von Gras ernähren soll, sozusagen ein gefundenes Fressen. Vom Hass auf die Mörder seiner Hundefamilie geblendet und getrieben, schwang sich Volk anschließend zum Anführer aller Banditen auf und besiegte schließlich die Makas. Nun herrschte er über alle und alles, über Land und Leute, bzw. Hunde.
Jetzt schließt sich unvermittelt ein Kreis für den Leser. War die Story-Wendung weg von der Schlacht schon überraschend, verwundert die Begegnung mit Volk und man fragt sich, warum er seine Geschichte denn so ausführlich kund tut. Seine Beweggründe kann man zwar erahnen, aber die Zusammenhänge bleiben noch nebulös. Nur so viel: Volk ist an dem Feldzug gegen die Makas und der Belagerung von deren Burg nicht unschuldig! Doch ehe er mit dem Schluss der Story herausrücken kann, geschieht einmal mehr etwas Unverhofftes – Pau versteht sich glänzend darin, seine Leser zu foppen – und die beiden Hundefreunde treffen auf eine alte Bekannte… Und am Ende gibt es einen weiteren Hinweis auf die eigentliche Quest der beiden: die Legende von Khimera, Stichwort „magischer Knochen“ und „Futternapf des Überflusses“. Aber: Noch immer gibt die Geschichte mehr Rätsel auf, als sie löst. Somit kann man auf den letzten, abschließenden vierten Band gespannt sein.
Bis dahin kann und sollte man die aktuelle Ausgabe der Reihe mit all ihren wunderbaren charakteristischen Eigenschaften genießen: neben den bereits gewürdigten Schafen sind das die anthropomorphen Figuren, die ihre tierischen Gepflogenheiten beibehalten. Man kläfft sich an, wirft sich auf den Rücken, um Unterwürfigkeit zu zeigen, oder man explodiert (Halt! Falsch!). Der Spanier Pau (eigentlich Rodríguez Jiménez-Bravo), Zeichner und Autor in Personalunion, stellt und stemmt sich dabei einmal mehr gegen die Lesegewohnheiten und verlässt unvermittelt Handlungspfade, während er andere öffnet und dann überraschend zusammenführt oder beendet. Auch seine Zeichnungen sind wunderbar eigen und ähneln in ihrer Dynamik und in den Bewegungsabläufen Figuren alter Zeichentrickfilme. Dabei scheut er weder vor monumentalen, ganz- oder gar doppelseitigen Abbildungen, um die Schlacht zu illustrieren, noch vor dem nicht minder monumentalen, wie bunten Einsatz von Soundwörtern. Und obschon im Funnystil gezeichnet und mit Witzen versehen, geht es hier mächtig, sprich blutig und damit ungeeignet für Kinder zur Sache. Dazwischen serviert Pau immer wieder brillante Ideen, wie ein ungewöhnlicher aber irgendwie doch typischer Einsatz von Pudeln, und bietet interessante Perspektiven – beispielsweise sehen wir sprichwörtlich durch die Augen von Volk. Auch originell: wie Pau am Ende verrät, hat er diverse Mäuse in den Panels dieses Albums versteckt. Zwei auf dem Cover und sechs im Innenteil. Viel Spaß beim Suchen. (bw)
Die Saga von Atlas und Axis, Buch 3
Text & Bilder: Pau
64 Seiten in Farbe, Hardcover
toonfish/Splitter Verlag
14,95 Euro
ISBN: 978-3-95839-927-3