Big Man Plans (Panini)

Oktober 19, 2016

Big Man Plans (Panini)

Eine Bar in Brooklyn, im Jahr 1979. Hier sitzt ein kleinwüchsiger Mann mit unbändigem Zorn, der von den Mitgästen gnadenlos verspottet wird. Wie immer, wie sein ganzes Leben schon. Wortlos verlässt er die Bar – nicht ohne eine scharfe Handgranate dazulassen und reist gen Süden, nach Tennessee. An die Orte seiner Kindheit, in seine alte Heimat. Dort startet er einen beispiellosen, blutigen Rachefeldzug. Seine Tante, Polizisten, die er offenbar von früher kennt, müssen auf grausamste Weise dran glauben. Dabei stirbt unser namenloser (Little) Big Man selbst beinahe, als er übel misshandelt wird und nur knapp entkommt. Was sind die Hintergründe seiner Taten? Wieso schlägt er eine unbarmherzige Schneise des Grauens? Ist es wirklich blanke Rache an ehemaligen Peinigern oder steckt doch mehr dahinter?

Goon-Schöpfer Eric Powell und sein Co-Autor Tim Wiesch überraschen hier mit einer schnörkellosen, gnadenlosen, humorfreien wie expliziten Rache- und Folter-Mär, die es erst einmal zu verdauen gilt. Ihrem Helden, dem zwergenwüchsigen Big Man, wurde Zeit seines Lebens übel mitgespielt. Von seiner Mutter verachtet und von seinem Vater geliebt verbrachte er eine – nun, sagen wir es ruhig – beschissene Kindheit. Nachdem die Mutter die Familie im Stich lässt und das Weite sucht, verfällt der Vater dem Alkohol und stirbt. Unser Big Man wird von der unliebsamen Verwandtschaft von seiner Schwester getrennt und wächst im Waisenhaus auf. Und wird natürlich Tag für Tag ob seiner nicht vorhandenen Größe gehänselt und gemobbt, was sich auch später nie ändern wird. Genugtuung und das Gefühl, nützlich zu sein, erfährt er ausgerechnet im Vietnamkrieg, wo er als Tunnelratte in Ein-Mann-Selbstmordkommandos eingesetzt wird, die er als Kampfsau vor dem Herrn bravourös meistert.

Doch nach dem Krieg ist damit wieder Schluss. Zurück im richtigen Leben, ohne Perspektive und als Außenseiter schon durch seine Statur gebrandmarkt, säuft und prügelt er sich durchs triste Leben, bis er eben jene Rache-Tour de Force in seine eigene Vergangenheit startet. Warum und wieso ist anfangs nicht ersichtlich, wird aber – das sei verraten – geklärt, was der geradlinigen Story am Ende einen gewissen Twist verschafft. Wer jetzt eine differenzierte Charakterisierung des Big Man erwartet muss enttäuscht werden. Zwar zeigt er immer wieder – auch in Rückblenden – eine Art Mitgefühl gegenüber Benachteiligten und Menschen, die ihm geholfen haben, was jedoch weit entfernt von Gefühlsduseleien stattfindet. Stattdessen gehen Powell und Wiesch in die Vollen und liefern eine Gewaltorgie ab, die ihnen – was man auch dem enthaltenen Interview entnehmen kann – bisweilen selbst zu heftig wurde. Und das ist der Knackpunkt des Ganzen: während Powell mit seinem Goon in abseitigem Humor badet, stehen die Taten des Big Man völlig trocken da. Gewalt(darstellung) um der Gewalt willen, so ganz ohne Fundament, das ist immer so eine Sache…

Zeichnerisch glänzt Eric Powell einmal mehr, keine Frage. Bei Actionszenen verzichtet er immer wieder auf den traditionellen Panelrahmen und zeigt Moment- und Nahaufnahmen wie in einer filmischen Montage. Die Darstellungen seines gebeutelten und gefolterten Helden sind intensiv und erinnern an diverse Freaks aus seinem Goon, in ihrer ganzen morbiden Farbenpracht. In den oft monochromen Rückblenden arbeitet er dann wieder detailliert oder auch mal ohne Tusche. Insgesamt ist sein Stil sehr kraftvoll wie plakativ und erinnert, wie es das Vorwort richtig benennt, an Kaliber wie den großen Bernie Wrightson. Ob das für einen Kauf des Bandes ausreicht, muss jeder für sich selbst entscheiden. (bw)

Big Man Plans – Ein grosser Plan
Text: Tim Wiesch, Eric Powell
Bilder: Eric Powell
124 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
16,99 Euro

ISBN: 978-3-95798-958-1

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